LEA in Freiburg – Alle Probleme gelöst?

Flugblatt das im Rahmen der städtischen Informationsveranstaltung zur LEA am 16.12. von B.I.S.S. verteilt wurde.

Ab September 2016 soll auf dem Gelände der Polizeiakademie in der Lörracher-/Müllheimerstr. eine Landeserstaufnahmestelle (LEA) für Flüchtlinge eingerichtet werden. Dazu sollen die 272 Einzelzimmer der Polizeistudierenden mit je 20-25 qm² zu einer Massenunterkunft für bis zu 1000 Flüchtlinge umfunktioniert werden, in denen sie jeweils für maximal drei Monate „untergebracht“ werden. Anschließend werden sie den Land- und Stadtkreisen zur weiteren (vorläufigen) Unterbringung zugewiesen oder (das steht insbesondere für Roma-Flüchtlinge aus den nun vermeintlich sicheren Herkunftsstaaten zu befürchten) direkt ausgewiesen bzw. abgeschoben.

Als Grund für den Auszug der Polizeiakademie wurde kürzlich noch ein Sanierungsbedarf in zweistelliger Millionenhöhe angeführt. Angesprochen auf die Widersprüchlichkeit der Tatsache, dass der Zustand im Hinblick auf die Einrichtung der LEA nun allgemein gelobt wird, erklärte Oberbürgermeister Salomon: „Das war ja keine Sträflingskolonne.“ Eine Aussage, die tief blicken lässt, was für einen Charakter die LEA haben wird.

Die Stadtverwaltung versucht die LEA nicht nur als alternativlos, sondern noch perfider sogar als Erfolgsstory zu präsentieren. Freiburg werde von der LEA „profitieren“, weil Städte mit einer Erstaufnahmestelle von der Pflicht befreit sind, Flüchtlinge dauerhaft im Rahmen der Anschlussunterbringungen aufzunehmen. Sobald die LEA in Betrieb genommen wird, verweigert Freiburg also komplett die Verantwortung, Flüchtlingen (mit geringfügigen Ausnahmen) eine dauerhafte menschenwürdige Perspektive in Freiburg zu ermöglichen. Das Land übernimmt darüber hinaus auch noch die gesamten Kosten.

Zwar wird von allen Seiten beteuert, dass die Freiburger LEA viel „humaner“ gestaltet werden soll als die überfüllte LEA in Karlsruhe. Wer sich jedoch ernsthaft mit den konkreten Bedingungen der Erstaufnahme auseinandersetzt, wird unschwer erkennen, dass es sich bei diesen Versprechen lediglich um die Beschönigung einer menschenverachtenden Systematik handelt.

Ganz andere Pläne hatte die aus dem Netzwerk Recht auf Stadt entstandene Basisinitiative Stattquartier Schildacker. Sie wollte auf dem Gelände der Polizeiakademie einen Stadtteil von unten entstehen lassen, der u.a. Platz für alle jene bieten sollte, die auf dem Freiburger Wohnungsmarkt ausgegrenzt werden, darunter fallen insbesondere Geflüchtete, die in Freiburg kaum Chancen haben in einer „normalen“ Wohnung zu leben. Da wir meinen, dass es solche wirklich dezentralen Alternativen braucht und keine weiteren Sammellager, stellen wir im Folgenden die LEA und BISS gegenüber und schließen mit einer von verschiedenen flüchtlingssolidarischen Gruppen getragene Erklärung zum Thema.

  • Für eine menschenwürdige Aufnahme von Flüchtlingen in unserer Mitte!
  • Keine Unterbringung, sondern Wohnen und Leben – auch und gerade für Geflüchtete!
  • LEA sind nicht humanitär, sie produzieren Konflikte und fördern Ausgrenzung, anstatt ihr entgegenzutreten!

www.stadtteilvonunten.de

 

Dauerhaft sozial gebundenen Wohnraum und ein Zusammenleben mit Geflüchteten statt sozialer Isolation

Die Grundidee von BISS besteht darin, einen kleinen Stadtteil zu schaffen, der Menschen bevorzugt zur Verfügung steht, die sonst auf dem Freiburger Wohnungsmarkt ausgegrenzt werden. Menschen, die einen unverhältnismäßigen Anteil ihres Einkommens für die Miete ausgeben, Menschen, die sich gezwungen sehen, aus Freiburg wegzuziehen, weil sie nicht einmal in den günstigeren Stadtteilen eine Wohnung bezahlen können oder vom Amt bezahlt bekommen; Menschen, die innerhalb Freiburgs an den Rand gedrängt werden.

Zu letzteren gehören auch Flüchtlinge. Sie müssen in Freiburg zum großen Teil in speziellen Unterkünften leben, weitab von den Wohngebieten der übrigen Bevölkerung, mit wenigen Quadratmetern Wohnfläche pro Person, in behördlich aufgezwungenen Wohn- oder sogar Zimmergemeinschaften. Oft sind die baulichen Verhältnisse untragbar. Die Maßnahmen der Stadt, Geflüchteten dezentrale Wohnungen zur Verfügung zu stellen, halten wir für halbherzig. Geduldeten „Flüchtlingen“ wird der Zugang zum Wohnberechtigungsschein verwehrt. Zahlreiche Wohnungen aus dem städtischen Streubesitz wurden verkauft, und nun wieder Wohnung für Wohnung von Privateigentümer*innen erbettelt.

Das Ergebnis einer solchen Politik ist, dass Menschen gegeneinander ausgespielt werden, die aus unterschiedlichen Gründen auf dem Wohnungsmarkt diskriminiert werden: Geflüchtete gegen Alleinerziehende in Wohnungsnot oder Wohnungslose, Hartz-IV-Bezieher*innen gegen Geringverdienende,… Dass einige besonders verletzliche Gruppen auch noch in gesonderten Unterkünften untergebracht werden, spitzt diese Problematik zu.

Unsere Alternative ist ein Modell-Stadtteil, der zeigt, wie es in Freiburg anders gehen könnte: Wohnungen, in denen Menschen mit und ohne Fluchterfahrung, mit und ohne deutschen Pass Tür an Tür oder in Wohngemeinschaften zusammenleben – und zwar selbstgewählt, nicht eingeteilt. Kommunikation und Austausch zwischen ihnen ist dann ganz selbstverständlich, Geflüchtete sind kein Fremdkörper in einem isolierten Wohnkomplex. Diese Art des Zusammenlebens soll zu Wohnungspreisen unter der Hartz-IV-Obergrenze möglich sein, und somit auch für Menschen erschwinglich sein, die auf Mietzahlungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz angewiesen sind.

Auch eine öffentliche Infrastruktur ist für BISS geplant, darunter das Rasthaus. Das Rasthaus existiert seit 20 Jahren erfolgreich und konnte bisher aufgrund mangelnder politischer Unterstützung nur als Mini-Rasthaus realisiert werden. Es ist eine Anlaufstelle für Geflüchtete und Illegalisierte und dient als Ort für Beratung, Sprachkurse, als Treffpunkt und Ausgangspunkt für eigene Initiativen. Und schließlich ist BISS ein Projekt, in dem Geflüchtete dauerhaft mit uns wohnen sollen.

Diese Vision wollen wir zusammen mit Geflüchteten auf dem Gelände der Polizeiakademie verwirklichen. Wir denken, dass sie ein Modell für eine menschliche Art des Zusammenlebens von Menschen mit und ohne Fluchtgeschichte ist Wir wollen, dass Flüchtlinge dauerhaft bleiben! Wir wollen mit ihnen zusammen wohnen!

Eine Erklärung getragen von der Basisinitiative Stattquartier Schildacker und den Rasthaus Gruppen: SAGA, Medinetz, Deutschkurse, Aktion Bleiberecht

 

Landeserstaufnahmestelle vs. Basisinitiative Stattquartier Schildacker (BISS)

 

Die Landeserstaufnahmestelle steht für…

  • Isolation von der „Normalbevölkerung“
  • Zusätzliche Abschottung gegenüber der Nachbarschaft durch Umzäunung des Geländes und Eingangskontrollen
  • kaum Privatsphäre durch Unterbringung sehr vieler Menschen auf engstem Raum
    Höchstens 3-monatiger Aufenthalt ohne Perspektive in Freiburg bleiben zu können
    direkte Abschiebungen aus der Einrichtung
  • Ständige Kontrolle und Überwachung durch BAMF, Polizei und oder (private) Wachdienste und Kriminalisierung durch zwangsweise Abgabe von Fingerabdrücken
  • unzureichende medizinische Versorgung: Behandlung nur bei akuten Krankheiten und Schmerzen, keine langfristige Therapie nötig.
  • Häufige polizeiliche Durchsuchungen mit Verweis auf „Brandschutzbestimmungen“ oder „Klärungsbedarf zur Identitätsfeststellung“
  • Entmündigung durch Sach- statt Geldleistungen, selbst eigenständige Versorgung mit Essen nicht möglich
  • kaum Möglichkeiten für flüchtlingssolidarische Initiativen, sich einzubringen/ keine dauerhafte Zusammenarbeit möglich
  • keine ausreichende Rechtsberatung (Sie ist in das Kontrollsystem integriert/ die Geflüchteten erhalten nur Sachleistungen und können daher keine unabhängige Beratung bezahlen)
  • die auf Abschreckung und Ausgrenzung setzende deutsche Flüchtlingspolitik trennt und isoliert

 BISS steht für…

  • Zusammenleben mit Geflüchteten Tür an Tür
  • Freier Zugang zum Gelände für Alle mit sozialer Infrastruktur, die sich gleichzeitig an Menschen vom Gelände und der Nachbarschaft richtet und den Austausch, auch zwischen Geflüchteten und „Nicht-Flüchtlingen“ fördert
  • Eigene Wohnungen als Rückzugsorte
  • langfristige Perspektive durch dauerhaft günstigen, sozialgebundenen Wohnraum über das Modell des Mietshäusersyndikats
  • solidarisches Umfeld, das sich für dauerhafte Möglichkeit zu bleiben einsetzt
  • Echte Wilkommenskultur durch Einrichtung eines Rasthauses (rasthaus-freiburg.org), das Empfangsort ist und unabhängige Beratung, Möglichkeit des Austausches und der Selbstorganisation bietet
  • unabhängige und anonyme medizinische Beratung und Vermittlung zu Ärztinnen und Ärzten auch für Illegalisierte durch Initiativen wie das medinetz
  • Keine Polizei auf dem Gelände und Menschen, die sich solidarisch gegen Übergriffe der Polizei wehren
  • solidarische Finanzierung: Menschen mit mehr Geld unterstützen Andere / gemeinsamer Kampf gegen rassistische Sondergesetze/ eigene Küchen und Zusammenarbeit mit Initiativen, wie die der GartenCoop, um Ernährungssouveränität näher zu kommen
  • flüchtlingssolidarische Initiativen sind vor Ort können dauerhaft mit Geflüchteten zusammenarbeiten
  • Initiativen wie SAGA, die unabhängig beraten und gegebenenfalls Kontakt zu AnwältInnen vermitteln
  • die Perspektive, dass Menschen mit und ohne Fluchterfahrung dauerhaft, jenseits von Ausgrenzung, Kasernierung, Kontrolle zusammenleben