„Recht auf Stadt“ – Filmreihe Feb/Mrz. 2015

Der einst von Henri Lefebvre formulierte Slogan RECHT AUF STADT, mit dem er in den 1970er Jahren auf die Folgen der schnellen Urbanisierung, insbesondere das veränderte Leben in den Banlieus aufmerksam machen wollte, anvancierte in den letzten Jahren zum Leitsatz einer Bewegung, die die kapitalistische Be – und Verwertung von öffentlichen Räumen, gewinnträchtige Spekulationen mit Wohnraum und die damit einhergehende Verdrängung von Menschen, aufhalten möchte.

Alle Filme finden im Kommunalen Kino (koki – Urachstr. 40 statt)
Die ausgewählten Filme beschäftigen sich als Chronisten unserer Zeit ganz aktuell mit verschiedenen Phänomenen, die zur Gentrifizierung eines Stadtteils beitragen und durch die Verdrängungsmechanismen stattfinden. Ob durch Aufwertung einzelner Wohnviertel und damit einhergehenden Mieterhöhungen,  Eigentumsbildung einer Mittelschicht,  durch “Immobilienhaie“ und gewinnbringende Spekulation mit Immobilien oder bei der Neugestaltung eines Stadtteils, es bleibt immer die Frage: Wem gehört die Stadt?
Aufgrund der oben beschriebenen Entwicklungen, beschäftigen sich immer mehr Menschen mit der Frage nach einer am Menschen orientierten Stadtentwicklung, so steht bspwe. Das Wissenschaftsjahr 2015 unter dem Motto „Zukunftsstadt“. Es sind vielerorts „Recht auf Stadt“-Netzwerke entstanden, so auch in Freiburg. Wir laden Sie ein, an vier Abenden mit den FilmemacherInnen über die vorgestellten Filme ins Gespräch zu kommen. Vertreter_Innen des „Recht auf Stadt“-Netzwerks stehen für Auskünfte über die Situation in Freiburg zur Verfügung. Wir freuen uns auf angeregte Diskussionen und eine gemeinsame Beschäftigung mit der Frage nach einer gelungenen Stadtentwicklung.

Eine Stadt, in der die Diskussion um Verdrängung, kapitalistische Verwertung von Wohnraum und öffentlichem Raum, zusammengefasst unter dem Schlagwort Gentrifizierung, besonders in Gang gekommen ist, ist Hamburg. Daher wenden wir mit dem ersten Film auch den Blick nach Hamburg, in einen der bekanntesten Stadtbezirke Deutschlands, auf St. Pauli. Hier standen die Essohäuser, die symbolisch für den Umbau St. Paulis zum Investorenviertel sind und deren Bewohner im Zentrum des Diskurses um Recht auf Stadt und im Zentrum des Filmes BUY BUY ST. PAULI stehen. Zu Gast sind die FilmemacherInnen Irene Bude, Steffen Jörg und Olaf Sobczak.
In Berlin sieht die Situation nicht viel anders aus. Die strukturelle Umgestaltung der Stadtteile wandert von Kiez zu Kiez. Nicht zuletzt durch ein an sich sehr solidarisches Konzept, das der „Baugruppen“, werden einkommensschwache Menschen weiter an die Peripherie gedrängt, da statt neuen Mietwohnungen nun in Baugemeinschaften Eigentumswohnungen gebaut werden und Stadtteile wie Alt-Treptow so nachverdichtet werden. Das zeigt uns der Film VERDRÄNGUNG HAT VIELE GESICHTER. Die Filmemacher_innen des Filmkollektivs Schwarzer Hahn stehen für eine Diskussion zur Verfügung.
Auch in Köln regt sich Widerstand, als bekannt wird, dass der alte Leuchtturm auf dem Heliosgelände, Wahrzeichen und Mittelpunkt des Stadtteils Ehrenfeld, von einem Investor gekauft, einer Shopping-Mall weichen soll. Die Filmemacherin Anna Ditges verfolgt in WEM GEHÖRT DIE STADT – BÜRGER IN BEWEGUNG den Prozess der Verhandlungen, was mit dem Gelände passieren soll, von allen beteiligten Seiten aus. So kommt die Stadtverwaltung ebenso zu Wort, wie der Investor, die Bürgerinitiative in der sich wiederum ganz unterschiedliche Vorstellungen treffen, wie auch die bisherigen Nutzer des Geländes. Die arbeitsaufwendigen Treffen der Bürgerinitiative zeigen, was der demokratische Prozess mit sich bringt, was aber letztlich auch zu einer am Bürger orientierten Planung neuer Stadtviertel notwendig erscheint. Im Anschluss an den Film laden wir zu einer Diskussion mit der Filmemacherin Anna Ditges, Vertreter_innen des „Recht auf Stadt“-Netzwerks Freiburg sowie dem Bauverein „Wem gehört die Stadt“ im Mietshäuser Syndikat, ein.
Im vierten von uns vorgestellten Film GÖTTLICHE LAGE, ist die Phase der Planungen bereits passé. Auf der alten Industriebrache der Metallindustrie in Dortmund, ist ein neuer Stadtteil entstanden. In Angrenzung an ein bereits existierendes Wohnviertel steht nun, in Abgrenzung zum alten, verfallenen, maroden, ein neues Viertel: modern, licht und absolut hochpreisig. Wer hat hier für wen geplant? Wer nutzt welchen Raum? Wie sieht die tatsächliche Nutzung aus und was ist eigentlich mit der Natur – hat sie bei Stadtplanungen auch noch ein Wörtchen mitzureden?

  • BUY BUY ST. PAULI – über die kämpfe um die esso-häuser
    „mit be- und anwohner_innen, initiative esso-häuser, bayerischer hausbau, bezirksamtsleiter, recht-auf-stadt-bewegung, mit internationalen verflechtungen, wut, aktionen und einer nicht so schlechten aussicht!“ (Die Filmemacher_In)
    _D 2014 / 86 Min. / Regie: Irene Bude, Olaf Sobczak, Steffen Jörg
    Sa 14.02., 19:30, zu Gast: Die Filmemacher_in Irene Bude, Sobczak und Steffen Jörg / Do 21.02., 21:30
  • VERDRÄNGUNG HAT VIELE GESICHTER
    Berlin. Ein kleiner Kiez zwischen Ost und West. Verwilderte Brachen am ehemaligen Mauerstreifen. Motorsägen und Baukräne. Neubauten, Eigentumswohnungen und steigende Mieten. Versteckte Armut, AltmieterInnen, zugezogene Mittelschicht, Architekten, Baugruppen. Auf engstem Raum wird ein Kampf ausgetragen. Von Gesicht zu Gesicht. Direkt. Ohne Blatt vor dem Mund. Ängste artikulieren sich. Auf allen Seiten. Wut verschafft sich Ausdruck. Ein Kampf um Millimeter. Um den Kiez. Um Würde. Und um das eigene Leben.
    _D 2014 / 94 Min. / Regie: Filmkollektiv Schwarzer Hahn
    So 22.02., 17:30, zu Gast: Filmemacher_innen des Filmkollektivs Schwarzer Hahn
  • WEM GEHÖRT DIE STADT – BÜRGER IN BEWEGUNG
    Das Heliosgelände, Wahrzeichen und kultureller Mittelpunkt des Stadtteils Ehrenfeld wird verkauft, entstehen soll hier eine Shopping Mall. Schnell werden kritische Stimmen laut, es kommt zu einem Bürgerbeteiligungsverfahren…
    Mit unverstelltem Blick und einem Augenzwinkern erzählt die Filmemacherin Anna Ditges von einer existenziellen Auseinandersetzung zwischen Menschen mit unterschiedlichsten, oft unvereinbaren Lebenswelten und Wertevorstellungen. Im Spannungsfeld von Engagement, Eigennutz und Sinnstiftung geht sie der Frage nach, wie Demokratie im Alltag funktionieren kann und wie viel politische Verantwortung die eigene Heimat für jeden Einzelnen bedeutet.
    D 2014 / 88 Min. / Regie, Kamera, Schnitt: Anna Ditges
    Sa 07.03.,19:30, zu Gast: Regisseurin Anna Ditges, im Gespräch mit Vertreter_innen des Bauverein „Wem gehört die Stadt?“ im Mietshäuser Syndikat und des „Recht auf Stadt“-Netzwerks
  • GÖTTLICHE LAGE
    Februar 2008, Dortmund-Hörde, eine Stadt im Ruhrgebiet, bis April 2001 einer der wichtigsten Stahlstandorte der Welt. Das riesige Gelände des Stahlwerkes Phoenix-Ost, das heute aussieht wie eine Mondlandschaft, soll in etwa zwei Jahren ein See sein, mit einer Marina und einer Piazza, die die Menschen aufatmen lassen. In hochwertigen Häusern und Bürogebäuden werden sie direkt am Wasser wohnen und arbeiten. Ulrike Franke und Michael Loeken begleiten diesen Prozess in ihrer Langzeitdokumentation GÖTTLICHE LAGE von den ersten Sitzungen der Projektentwickler bis zur feierlichen Eröffnung und darüber hinaus. Über fünf Jahre sollen letztlich vergehen, bis das einstige Stahlwerk einem See gewichen ist. Planer und Anwohner, Visionäre und Zweifler werden zu Gewinnern und Verlierern des gesellschaftlichen Fortschritts.
    _ D 2014 / 104 Min. / Regie: Ulrike Franke und Michael Loeken
    Do 12.03., 10:00 Schulvorstellung mit anschließendem Filmgespräch zum Wissenschaftsjahr 2015 – Zukunftsstadt. Innerhalb der 9. Schulkinowoche Baden-Württemberg, Anmeldung unter www.schulkinowoche-bw.de
    Fr 13.03., 17:30