WohnungsMARKT – Nein Danke!

Am 17. März sollte das Handlungsprogramm Wohnen erneut Thema im Gemeinderat sein. Aufgrund akuten Nicht-Handelns hatte Dieter Salomon aber offenbar Angst vor einer Mehrheit gegen sich und setzte den Punkt kurzerhand ab. Gegenstand sollte auch die Studie „Wohnungsbedarfsanalyse und Wohnungsnachfrageprognose“ (G-15/024) des neoliberalen und der Lobbyarbeit für die Bauwirtschaft nicht abgeneigten Forschungsinstituts Empirica sein.
Als vor einem Jahr die Einladung zur Teilnahme an dieser Studie auch beim Bauverein „Wem gehört die Stadt?“ einging, lehnte dieser ab, da Empirica „in offensichtlichster Weise noch nicht mal in der Lage ist, wissenschaftliche Gutachten und politische Lobbyarbeit für die Immobilienwirtschaft wenigstens organisatorisch auseinander zu halten.“
Empirica-Aufsichtsratschef Pfeiffer meinte in einem Interview, dass „Sozialwohnungsprogramme für breite Schichten ungeeignet“ seien, „künftige Versorgungsaufgaben zu lösen. Eine große Koalition sollte den Mut haben, ihre Förderung einzustellen. Bezahlbare Wohnungen für breite Schichten entstehen durch Alterung hochwertiger Neubauwohnungen.“

Der MARKT ist so zauberhaft und löst die Wohnungsfrage mal so nebenbei!
Ein zentraler Bestandteil der genannten Studie ist der Sickereffekt (vgl. unsere Ausgabe 04/2013). So empfiehlt Empirica für den neuen Stadtteil Dietenbach: „Generell sollte darauf geachtet werden, Neubaugebote im mittleren bis oberen Preissegment zu platzieren“. Denn „im Ergebnis entspannt sich mittelfristig – als Nebeneffekt – die Nachfrage in den unteren Marktsegmenten.“
Also baut, vermietet und verkauft hochpreisig, dann wird’s – mal so nebenbei – billiger? Oder liegt’s vielleicht daran, dass bis dahin alle, die sich 10€/qm nicht mehr leisten können, aus Freiburg weggezogen sind und es keine Nachfrage mehr in „unteren Marktsegmenten“ (weniger als 9,50€/qm) mehr gibt?

„Steigt das Angebot, sinkt der Preis“ – Wirklich?
So steht es in großen Lettern in der Studie und soll die neoliberale Grenzkosten-Theorie untermauern. Gleich nebenan etwas kleiner: „obwohl die Ergebnisse mit Vorsicht interpretiert werden müssen, unterstützen sie doch die oben geschilderte Theorie von Angebot und Nachfrage.“ Also so ganz sicher sind sie sich dann doch nicht: „in der Praxis überlagern sich diese Effekte oftmals, sodass eine Ausweitung des Angebots nicht zur tatsächlichen Senkung des Preises führt, sondern durch ein Ausweitung der Nachfrage kompensiert wird“, so eine Fußzeile.

Gewinnspiel
Zählt mal, wie oft das Wort „geschätzt“ beim Versuch diese steile These zu wohnungsmarkt nein dankebeweisen in der Studie vorkommt. Und lest die Fußnoten. Unter den richtigen Einsendung verlosen wir einen „WohnungsMARKT – Nein Danke!“ – Button.

Was sagen die Statistiken?
Das statistische Material brachte, nicht wirklich neu, folgendes zu Tage:
– 90% des Neubaus liegen über 10€/qm nettokalt
– 2009 – 2013 sind die qm-Preise für Neubau um ca. 60% angestiegen; im Bestandswohnungen um etwa  33%
– Die Mietbelastung in Freiburg liegt laut Empirica bei 27% und somit 12% höher als im Umland (Breisgau-Hochschwarzwald, Emmendingen ~15%)
– Die Mieten im „unteren Segment“ sind am stärksten gestiegen.
– 2013 konnten NiedriglohnbezieherInnen lediglich 1,7% – 4,6% der öffentlich angebotenen Wohnungen finanzieren
Über 95% der angebotenen Wohnungen stehen also den Menschen, die für wenig Geld die schlecht bezahlten Tätigkeiten für das Leben in der Stadt verrichten, nicht zur Verfügung. Doch auch im Umland, bis zu einer Entfernung von 20 km vom Stadtzentrum, sind Wohnungsangebote für NiedriglohnbezieherInnen knapp.
Tipp von Empirica: „Für Nachfrager mit geringeren Einkommen kann die Bezahlbarkeit der Wohnungen beispielsweise über geringere Wohnungsgröße reguliert werden“

Wohnversorgung muss als soziale Infrastruktur gedacht werden, die den „Markt“ außen vor lässt.