Nulltarif im Nahverkehr!

Ziemlich unerwartet ist unsere Forderung nach einem kostenlosen bzw. ticketfreien öffentlichen Nahverkehr plötzlich bundesweit in den Schlagzeilen. Grund: Die EU-Kommission macht Druck auf Deutschland wegen der schlechten Luft in den Städten. Es drohen eine Klage und Fahrverbote. Davor hat Autodeutschland Angst. Jetzt gibt es deshalb doch tatsächlich Überlegungen den kostenlosen Nahverkehr in einzelnen Städten zu testen.

Freiburgs Grüne gegen umweltfreundliche Mobilität

In der Green City Freiburg kommen solche Überlegungen natürlich gar nicht gut an. Der Grüne OB Salomon, gleichzeitig Präsident des Städtetages Baden-Württemberg, nannte Gratis-ÖPNV eine Schnapsidee. Sozialbürgermeister Kirchbach (SPD) hält es für nicht denkbar, den öffentlichen Nahverkehr zum Nulltarif anzubieten. „Die Stadtbahnen sind doch jetzt schon voll“ meint Dieter Salomon. Nun ja, aber was schließen wir daraus?
Wie wärs mit einer Verlagerung der Priorität und dem Ausbau der ÖPNV-Infrastruktur?

Selbst in Deutschland gab es schon Experimente mit dem ticketfreien Nahverkehr. Im brandenburgischen Templin nutzten nach vier Jahren fast 15 mal so viele Menschen den ÖPNV. Es gab neue Haltestellen und engere Takte.
Totschlagargument dagegen: Das ist nicht finanzierbar. Wir sagen: Doch, es fehlt nur der Wille.

Die Finanzierbarkeit

Rund acht Prozent der Netto-Fahrgeldeinnahmen fließen derzeit im Schnitt in Ticketvertrieb und in Kontrollen – gespart. Etwa 200 Mio. Euro pro Jahr kosten sogenannte Ersatzfreiheitsstrafen, darunter viele sogenannte Schwarzfahrer, die Steuerzahlerin – gespart.
Eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung kam 2010 zum Ergebnis, dass ohnehin lediglich 37 Prozent der Kosten für den ÖPNV durch die Ticketpreise abgedeckt werden, der Großteil der Kosten läuft also auch bisher schon über öffentliche Zuschüsse. Es stellt sich nun lediglich die Frage: Wie hoch sollen die Zuschüsse sein und damit: Was ist uns eine umweltfreundliche Mobilität für ALLE wert?

Wenn man in die Überlegungen die Kosten miteinbezieht, die durch Krankheiten aufgrund von Lärm und verschmutzter Luft verursacht werden, wären die Einsparpotenziale, die eine Verlagerung des Verkehrs vom Auto, hin zum ÖPNV bringen würde, unermesslich und der Gewinn an Lebensqualität erst recht.
Der Nahverkehr könnte der Marktlogik entzogen werden und zu dem werden, was er sein sollte: Einem gesellschaftlichen Gut, welches jeder und jedem zu Verfügung steht, ohne dass ein immer noch viel zu teures Sozialticket suggeriert, es wäre ein gnädiger Akt, dass Menschen mit weniger Geld sich auch bewegen dürfen.

Zeit für Veränderung

Labournet schreibt richtig und traurig von der BRD als einzigem Land der Welt, in dem die alljährlichen Fahrpreiserhöhungen zur Jahreswende keine größeren Proteste hervorgerufen haben.
Zeit, das zu ändern! Zeit, den durch dicke Luft vorhandenen Druck zu nutzen und für eine Mobilität zu kämpfen, die keine Frage des Geldbeutels mehr ist. Weg von der Förderung der Autoindustrie durch Abwrack- und Umrüstprämien, hin zur Förderung umweltfreundlicher und sozialer Mobilität. Vielleicht erkennen ja auch linke Gemeinderatsfraktionen die Zeichen der Zeit. Statt plumpem Modernisierungswahn mit W-LAN in Straßenbahnen: Nulltarif und bessere ÖPNV Verbindungen für ALLE!