Umbrüche im Stühlinger

Der Freiburger Stadtteil Stühlinger hat sich in den letzten Jahren stark verändert: Früher laut Erinnerungen alter Bewohner*innen ein sehr lebhaftes Quartier mit vielen spielenden Kindern auf der Straße, sieht man heute kaum mehr welche – das Viertel ist für Familien mit Kindern unattraktiv. Heute prägen eher Studierende und Singles das Straßenbild. Schuld daran sind hohe Mieten und die steigende Anzahl sehr kleiner Wohneinheiten. Begonnen hat der Prozess Mitte der 2000er mit dem Verkauf der sogenannten „Franzosenwohnungen“ durch die Freiburger Stadtbau an den Freiburger Immobilienkapitalisten Sauer, sowie mit dem Verkauf der Wohnungen von Bahnarbeiter*innen in der Guntramstraße durch die Deutsche Bahn.

Wohnungen werden verkleinert

Im Stühlinger wurde in der Vergangenheit sehr viel privat vermietet. Oft wohnte der oder die Vermieter*in im selben Haus mit den Mieter*innen. Aber immer mehr alte Vermieter*innen sterben oder müssen ins Altenheim. Die Erben besitzen oft andernorts eigene Häuser und verkaufen die alten Mietwohnungen an Immobilienfirmen, die diese als gewinnbringende Kapitalanlage ansehen. Um die Rendite zu steigern, werden die alten Wohnungen oft zerteilt bis hin zu 1-Zimmer-Wohnungen. Die Mieten steigen regelmäßig.

Halblegale Methoden

In einer Stadt mit einem großen Wohnungsmangel wie Freiburg versprechen Investitionen in Wohnungen fette Gewinne. Alte Vermieter*innen werden von Immobilienfirmen oft mit halblegalen Methoden bedrängt zu verkaufen, störende Altmieter*innen durch fingierte Anmeldung von „Eigenbedarf“, unterlassenen Renovierungen (z.B. der Treppenhäuser) oder anderen Schikanen zum Auszug bewegt. Immer mehr alte Bewohner*innen werden verdrängt.

Auch die Stadtbau Teil des Problems

Aber nicht nur die privaten Immobilienkapitalisten sind Teil des Prozesses, auch die Freiburger Stadtbau trägt ihren Teil bei: So sollen die sehr preiswerten, wenn auch dringend renovierungsbedürftigen Wohnungen im Metzgergrün abgerissen und durch Neubauten (davon auch wieder einige Eigentumswohnungen) ersetzt werden, anstatt sie behutsam zu sanieren. Ähnlich wie im Binzengrün 34 in Weingarten ist es höchst unwahrscheinlich, dass sich die alten Mieter*innen die neuen Wohnungen werden leisten können.

Mit seiner Ankündigung, im neuen Baugebiet „Stühlinger West“ (neben dem neuen Rathaus im Stühlinger) nur nicht-gewinnorientierte Bauträger wie Genossenschaften oder das Mietshäusersyndikat zum Zug kommen zu lassen, macht Freiburgs neuer Oberbürgermeister Martin Horn einen Schritt in die richtige Richtung. Über sozialen Wohnungsbau wurde in der Freiburger Lokalpolitik jedoch schon viel gesprochen – meist mit wenig praktischen Konsequenzen…

Schließt euch zusammen!

Wie man sich gegen die Verdrängung am besten wehrt, ohne sich auf das Wirken der Lokalpolitik zu verlassen, hat eine Hausgemeinschaft in der Guntramstraße 38 vorgemacht: Als sie erfuhren, dass ihr Haus verkauft werden sollte, schlossen sich die Mieter*innen zusammen, kauften es mit Unterstützung des Mietshäusersyndikats und entzogen es so dem kapitalistischen Wohnungsmarkt. Ihr Rat an alle von Verdrängung bedrohten Mieter*innen: „Schließt euch zusammen und wendet euch an das Syndikat.“