Herdermer BewohnerInnen und BesetzerInnen stellen Freiburger Stadtbau zur Rede

Herdermer BewohnerInnen und BesetzerInnen stellen Freiburger Stadtbau zur Rede Am 4. April war die Zukunft der Johann-Sebastian-Bach-Straße in Herdern Thema beim Bürgergespräch in der Aula der Weiherhofschule. Anwesend waren neben dem Baubürgermeister Haag und dem Herdermer Bürgerverein auch Vertreter von Stadtbau und Arbeiterwohlfahrt (AWO).  Selbst für Haag war es kein Geheimnis, dass aber auch von der unsozialen Politik Betroffene gekommen waren: „Sicherlich sind heute einige Damen und Herren da, die ganz speziell wegen diesem Thema hier sind.“ Auch die Besetzung des Hauses Nummer 36 wurde bei den Fotos zur Bestandsaufnahme erwähnt: „Bei diesem Haus gibt es seit dem Wochenende eine Besonderheit, das wissen wohl die Nachbarn unter Ihnen.“

Baubürgermeister Haag war vor allem daran interessiert, das ganze Thema Johann-Sebastian-Bach-Straße möglichst schnell abzuschließen. Zwar blieb nach der Vorstellung des Neubauprojekts etwas Zeit für Fragen, eine wirkliche Diskussion über den Sinn und Unsinn von Abbruch und teurem Neubau war allerdings weder gewünscht noch möglich.
Der Vorsitzende der Freiburger Stadtbau, Klausmann, blieb bei allen politischen Fragen viele Antworten schuldig.  Ein Vertreter des Arbeitskreises „Wem gehört die Stadt?“ des Mietshäuser-Syndikats kritisierte, dass bei der Stadtbau derartige Entscheidungen hinter verschlossenen Türen getroffen werden und daher eine frühzeitige Beteiligung unmöglich sei. Die Frage nach einer Kalkulation der Alternative, also einer Renovierung des bestehenden Wohnraums, wurde von Lothar Korzen von der Stadtbau schlicht abgewiesen: „Jetzt müssen Sie uns einfach glauben, dass wir da vernünftig kalkuliert haben“. Dass nach diesen Kriterien viele weitere Straßenzüge kurz vor dem Abriss stürzen – keine Antwort.
Auch Vorschläge, wie selbst bei einem Neubau die zunehmende Gentrifizierung Herderns zumindest verlangsamt werden könnte, fanden kein Gehör: Nach dem grün-roten Regierungswechsel wird es wieder Zuschüsse vom Land für sozialen Wohnungsbau geben, über die auch bei einem Neubau Wohnraum für ärmere Menschen geschaffen werden könnte. Das ist allerdings für Herdern politisch offensichtlich nicht gewünscht – so wurde auch dieser Vorschlag ignoriert. Auch ein Vorschlag aus dem Bürgerverein Herderns, über eine Kooperation mit dem Mietshäuser-Syndikat eine Durchmischung der MieterInnen zu unterstützen, wurde trotz großem Publikumsapplaus von keinem der Anwesenden thematisiert. In den Neubauplänen für die Johann-Sebastian-Bach-Straße sind entgegen des Wunsches des Herdermer Bürgervereins weder Gemeinschaftsräume noch klassenübergreifendes Wohnen vorgesehen.
Diverse weitere Nachfragen zur Notwendigkeit des Abrisses blieben ebenso unbeantwortet. Zwar ist klar, dass die Häuser in der Bachstraße renovierungsbedürftig sind. Ein Mieter urteilte: „Die Wohnungen sind nicht optimal, aber auf jeden Fall bewohnbar.“ Als Rechtfertigung für die Alternativlosigkeit des Abrisses konnte regelmäßig nur das – für sich genommen natürlich löbliche – Argument der Barrierefreiheit der Neubauten herhalten. Dass gleichzeitig nach dem Neubau mit Kostenmieten von mindestens 15 Euro / m² enorme soziale Barrieren aufgebaut werden scheint dagegen für die Stadtbau irrelevant. Laut Klausmann läge der Mietspiegel bei 11,50 Euro / m², der Betrag für den sozialen Wohnungsbau würde 8,15 Euro / m² betragen.
Die Stadtbau hält an ihrer bisherigen Politik fest, durch Mieterhöhungen und teure Neubauten Gewinne zu erzielen, über die dann Sozialwohnungen subventioniert werden – jedenfalls von dem Teil, der nicht indirekt in den städtischen Haushalt fließt. In Herdern sei dass aufgrund der hohen Grundstückspreise und der allgemeinen Ansprüche in dieser Lage nicht wirtschaftlich. Verständlich, wenn die Sanierung und kreative Weiternutzung des bestehenden Wohnraums politisch nicht gewollt ist.
Empört wiesen die Vertreter von Stadt Freiburg und Freiburger Stadtbau die Vorwürfe zurück, MieterInnen der Johann-Sebastian-Bach-Straße seien aus ihren Häusern gemobbt worden. Konkret genannt wurden die Ungewissheit über ihre Zukunft, die Schließung des AWO-Cafés in der Hausnummer 33, die Abschaltung des TV-Empfangs und die Zerstörung der Sanitäranlagen in allen leerstehenden Wohnung. Obwohl einige der BewohnerInnen, die das Mobbing am eigenen Leib erlebt haben, anwesend waren, wurde die unsoziale Behandlung von offizieller Seite schlicht negiert.
Zwar stimmt es, dass den BewohnerInnen alternative Wohnungen am Tennenbacher Platz angeboten wurden. Doch auf die Frage, wie die Leute denn die um 150 Euro höheren Mieten zahlen sollten, antwortete der Vertreter der AWO nur: „Wie die Leute ihre Miete zahlen ist hier nicht das Thema.“ Erst auf mehrmaliges Insistieren wurde die Frage beantwortet, ob die Stadtbau auch die noch in der Straße lebenden alten Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen gegen ihren erklärten Willen von der Polizei räumen lassen werde. Das sei Stimmungsmache und im Übrigen sei es eben in einer Demokratie üblich, dass auch unpopuläre Entscheidung zum Wohle der Allgemeinheit akzeptiert werden müssten.
Es zeigt sich also wieder einmal: Die Freiburger Stadtbau fördert Gentrifizierung und soziale Segregation, anstatt mittels städtischem Wohnraum bunte und durchmischte Stadtviertel zu schaffen. Hartz-IV-EmpfängerInnen, alte Menschen mit niedrigen Renten oder StudentenInnen ohne reiche Eltern wird es nach dem Willen der Stadtbau in der Johann-Sebastian-Bach-Straße bald nicht mehr geben. Der Abriss soll übrigens im Herbst diesen Jahres beginnen, bis dahin gibt es Leerstand wie inzwischen seit Jahren. Eine Besetzung könne natürlich nicht unterstützt oder geduldet werden. Wir sagen dagegen: Bestehenden günstigen Wohnraum erhalten! Sanierung statt Abriss! Vielfältige Wohnformen statt teurer Eigentumswohnungen! Leerstand zwischennutzen! Plätze. Häuser. Alles.

Quelle: http://linksunten.indymedia.org/de/node/36918