Badische Zeitung erzeugt Stimmung

Wir lesen von einer Welle von Steuerhinterziehungen, die Freiburg erschüttert. „Über die Tätergruppe weiß man noch wenig. Fest steht nur: Die Zahl dunkelblonder Männer ist stark gestiegen.“ Aha, dunkelblonde Männer haben was mit Steuerhinterziehung zu tun! – Nein, liebe Leserin, das hast DU jetzt gedacht!

Tatsächlich ging es in der Badischen Zeitung vom 18. April auch um ein anderes Thema: Man setze in dieselbe Passage als Delikt „Raub und Diebstahl“ ein und als Verdächtige „[unbegleitete] minderjährige Flüchtlinge“ (UMF), und man hat das Original. Was gleich bleibt, ist das einfache Strickmuster, wonach Menschen pauschal vorverurteilt werden. Obwohl die Angaben der Polizei sich immer auf Tatverdächtige beziehen, für die die Unschuldsvermutung gilt. Obwohl die Polizei bald zurückruderte und klarstellte, dass sie nur zum Teil solche Jugendlichen verdächtige, dass die Verdächtigen im Wesentlichen kleine Diebstähle begingen und Gewalt möglichst vermieden, und dass die Zahl der Körperverletzungen in Freiburg in diesem Jahr sogar zurückgegangen sei. Obwohl im Gemeinderat sich schnell die Erkenntnis durchsetzte, dass das Problem ein anderes ist: Wie können Kindern und Jugendlichen, die ohne Eltern vor Krieg und Armut fliehen, der nötige Schutz und die nötige Betreuung gewährt werden? Obwohl die Berichterstattung mehrfach gegen den Pressekodex verstößt, der u.a. verlangt, die Unschuldsvermutung zu respektieren, über jugendliche Verdächtige behutsam zu berichten und die Herkunft mutmaßlicher TäterInnen nur zu nennen, wenn sie in direktem Zusammenhang mit der Tat steht – Die BZ macht immer weiter.

Wir können bald jeden Tag lesen, wo wieder ein Geldbeutel geklaut wurde. Sie kann fast jede Straftat den UMF zuordnen, selbst wenn sie es sicher nicht waren: Dann war es eben ein undefiniertes „Umfeld“. Nicht berichtet, oder zumindest nicht so reißerisch, wird dagegen über andere Taten und Tatverdächtige, die nicht dem Muster der BZ entsprechen. Es geht darum, Stimmung genau gegen eine Gruppe zu erzeugen. Diebstähle sind normal für jede größere Stadt. Sie sind typisch für die Entwicklung junger Menschen, sagt der Kriminologe Roland Hefendehl. Es kommt nur darauf an, wo wir hinschauen. Die BZ hat es geschafft, dass gezielt Flüchtlinge kontrolliert werden, dass sich Angst und Ressentiments in der Bevölkerung breitmachen. Und dass junge nordafrikanische Flüchtlinge nicht mehr wagen, ihr Herkunftsland offen zu nennen.

Update (15.10.2014): Die BZ macht weiter mit ihrem Muster. In einem Artikel (Jugendgericht verurteilt minderjährigen Flüchtling) wir über die Verurteilung eines jungen Mannes berichtet. Das Urteil geht über das vom Staatsanwalt beantrage hinaus: „Kein deutscher Jugendlicher ohne Vorstrafen erhalte so ein Urteil“, so der Verteidiger. Nicht berichtet jedoch die BZ, das ein minderjähriger Jugendlicher ungerechtfertigt 5 Monate in Haft saß.

Ergänzung des Artikels:

Die aktuelle Kampagne der Bild-Zeitung Südbadens (BZ), hat nicht in erster Linie die Kriminalität als Gegenstand, sondern gezielt die Gruppe unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) und ihr von der BZ definiertes UMFeld.
Berichterstattung über (bio-regio) Deutsche die als Tatverdächtige ebenso in der Polizeistatistik auftauchen sind nicht Teil der Berichterstattung. Es wird der Eindruck erzeugt das allein die UMF für Straftaten in Freiburg verantwortlich sind.
Die zum Teil rassistische Berichterstattung erzeugt ihre Wirkung, wie die BZ dies schon bei der Berichterstattung zu einer Razzia im Flüchtlingswohnheim vor einem Jahr bereits getan hat.

Ebenfalls zu empfehlen:

Zum Pressekodex, folgende Punkte sind in Hinsicht auf die Berichterstattung interessant (wird noch ergänzt):
Richtlinie 1.3 – Pressemitteilungen
Polizeipressemitteilungen werden bei der BZ, nicht eindeutig gekennzeichnet. Meist erkennbar, wenn Artikel nicht kommentierbar sind. Oft werden 2-3 Sätze umgestellt, ein Bild dazu um den Schein eines Artikels zu wahren.

Ziffer 2 – Sorgfalt
„sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden. Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen.“

So wurden in der BZ die nach unten korrigierten Zahlen der Polizeistatistik nicht veröffentlicht. Die Polizei hatte ursprünglich 259 Taschendiebstähle in den ersten 4 Monate mitgeteilt, und musste diese um die Daten des Jahres 2013 bereinigen (-112).

Eine Polizeistatistik zwei Berichte:
* RDL | WER MANIPULIERT EIGENTLICH WEN??
* BZ | Freiburger Polizei verbindet 194 Straftaten mit minderjährigen Flüchtlingen

Ziffer 8 – Schutz der Persönlichkeit
„Bei einer identifizierenden Berichterstattung muss das Informationsinteresse der Öffentlichkeit die schutzwürdigen Interessen von Betroffenen überwiegen; bloße Sensationsinteressen rechtfertigen keine identifizierende Berichterstattung“

Richtlinie 8.1 – Kriminalberichterstattung
„Wenn erneut über ein zurückliegendes Strafverfahren berichtet wird, sollen im Interesse der Resozialisierung in der Regel Namensnennung und Fotoveröffentlichung des Täters unterbleiben.“

Richtlinie 8.3 – Kinder und Jugendliche
„Insbesondere in der Berichterstattung über Straftaten und Unglücksfälle dürfen Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres in der Regel nicht identifizierbar sein.“

Ziffer 11 – Sensationsberichterstattung, Jugendschutz
Richtlinie 11.2 – Berichterstattung über Gewalttaten
„Bei der Berichterstattung über Gewalttaten, auch angedrohte, wägt die Presse das Informationsinteresse der Öffentlichkeit gegen die Interessen der Opfer und Betroffenen sorgsam ab. Sie berichtet über diese Vorgänge unabhängig und authentisch, lässt sich aber dabei nicht zum Werkzeug von Verbrechern machen. Sie unternimmt keine eigenmächtigen Vermittlungsversuche zwischen Verbrechern und Polizei.“

Ziffer 12 – Diskriminierungen
„Niemand darf wegen seines Geschlechts, einer Behinderung oder seiner Zugehörigkeit zu einer ethnischen, religiösen, sozialen oder nationalen Gruppe diskriminiert werden.“

Richtlinie 12.1 – Berichterstattung über Straftaten
„In der Berichterstattung über Straftaten wird die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht.
Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte.“

Ziffer 13 – Unschuldsvermutung
„Die Berichterstattung über Ermittlungsverfahren, Strafverfahren und sonstige förmliche Verfahren muss frei von Vorurteilen erfolgen. Der Grundsatz der Unschuldsvermutung gilt auch für die Presse.“

Richtlinie 13.1 – Vorverurteilung
„Die Berichterstattung über Ermittlungs- und Gerichtsverfahren dient der sorgfältigen Unterrichtung der Öffentlichkeit über Straftaten und andere Rechtsverletzungen, deren Verfolgung und richterliche Bewertung. Sie darf dabei nicht vorverurteilen. Die Presse darf eine Person als Täter bezeichnen, wenn sie ein Geständnis abgelegt hat und zudem Beweise gegen sie vorliegen oder wenn sie die Tat unter den Augen der Öffentlichkeit begangen hat. In der Sprache der Berichterstattung ist die Presse nicht an juristische Begrifflichkeiten gebunden, die für den Leser unerheblich sind.
Ziel der Berichterstattung darf in einem Rechtsstaat nicht eine soziale Zusatzbestrafung Verurteilter mit Hilfe eines „Medien-Prangers“ sein. Zwischen Verdacht und erwiesener Schuld ist in der Sprache der Berichterstattung deutlich zu unterscheiden.“

Richtlinie 13.2 – Folgeberichterstattung
„Hat die Presse über eine noch nicht rechtskräftige Verurteilung eines Betroffenen berichtet, soll sie auch über einen rechtskräftig abschließenden Freispruch bzw. über eine deutliche Minderung des Strafvorwurfs berichten, sofern berechtigte Interessen des Betroffenen dem nicht entgegenstehen. Diese Empfehlung gilt sinngemäß auch für die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens.“

Richtlinie 13.3 – Straftaten Jugendlicher
„Bei der Berichterstattung über Ermittlungs- und Strafverfahren gegen Jugendliche sowie über ihr Auftreten vor Gericht soll die Presse mit Rücksicht auf die Zukunft der Betroffenen besondere Zurückhaltung üben.“