Wohnungsnot trifft auch Betroffene von häuslicher Gewalt

Am 8. März findet der traditionelle Frauenkampftag statt. 1910 hatte ihn die Sozialistin Clara Zetkin angestoßen. Schon immer wird auf eine Vielzahl sozialer Themen aufmerksam gemacht. Was bedeuten Wohnungsnot und hohe Mieten in Freiburg für Frauen? Wir haben mit Martina Raab-Heck vom Freiburger Interventionsprojekt gegen häusliche Gewalt (FRIG) darüber gesprochen, inwiefern in ihrem Tätigkeitsfeld die Wohnungsnot in Freiburg eine Rolle spielt. Sie arbeitet seit neun Jahren in diesem Projekt und koordiniert alle Institutionen, die beim Thema partnerschaftliche Gewalt eine Rolle spielen. FRIG versteht partnerschaftliche Gewalt sowohl als häusliche Gewalt als auch als ex-partnerschaftliche Gewalt, inklusive Stalking, Zwang von Eltern gegenüber erwachsenen Kindern (z.B. bei Zwangsheirat), Gewalt von Kindern gegenüber Eltern, z.B. in einer Pflegebeziehung. Gewalt in der Familie oder unter Partnern trifft Menschen jeden Alters. Hierfür wurde die Institution FRIG 1998 gegründet. Nächstes Jahr feiert sie ihr 20. Jubiläum.
RaS: Was für einen Einfluss hat die Wohnungsnot in Freiburg auf die Situation von Betroffenen häuslicher Gewalt?
MRH: Es ist mit Sicherheit zur heutigen Zeit nicht so einfach, eine Wohnung zu finden als Betroffene von häuslicher Gewalt. Jedoch betrachtet man die Frauen, die im Frauenhaus sind, als Menschen, die einen gewichtigen Grund haben eine neue Wohnung zu bekommen. Es gibt eine gute Kooperation zwischen dem Amt für Wohnraumversorgung, das für die Verteilung von Wohnungen zuständig ist, und dem Frauen- und Kinderschutzhaus. Es wird darauf geachtet, dass die Frauen so schnell wie möglich aus dem Frauenhaus herauskommen und in eine neue Wohnung ziehen können.
RaS: Was könnte die Stadt Freiburg zusätzlich dazu beitragen, um Betroffenen von häuslicher Gewalt zu helfen?
MRH: Ich denke, das betrifft nicht nur die Betroffenen von häuslicher Gewalt, und es ist, was die Stadt gerade ohnehin schon tut: Sie versucht neuen Wohnraum zu schaffen. Generell haben wir alle Schwierigkeiten, Wohnraum zu finden, der einigermaßen bezahlbar ist. Unter diesen Umständen ist es gut, dass die Stadt die Anstrengungen unternimmt, um den Bedarf zu decken. Mehr Wohnraum wäre auch ein Signal für betroffene Frauen, diesen Schritt in die Freiheit tun zu können. Wenn man Gewalt in einer partnerschaftlichen Beziehung erlebt, gibt es zudem die Möglichkeit, sich die Wohnung zuweisen zu lassen. Sodass sich dann eben der Mann eine neue Wohnung suchen muss.
RaS: Inwieweit hängt es von der materiellen Lage der Betroffenen ab, ob und wie schnell sie eine neue Wohnung finden?
MRH: Das fällt mir schwer zu beantworten. Natürlich hat man mehr Auswahl, wenn man mehr Geld verdient. Selbst wenn ich ohne Not eine Wohnung suche, ist das der Fall. Wenn Sie z. B. Kinder oder ein Haustier haben, sind Sie auch nicht immer geeignet. Es ist vielfältig, aber man kann sagen: Je mehr Einkommen, desto besser. Sie kommen ja selbst aus der Netzwerkarbeit und können sich vielleicht vorstellen: Wenn Frauen ein gutes Umfeld haben, ist es für sie leichter, sich aus einem gewaltvollen Wohnverhältnis zu befreien.
RaS: Was sagen sie Betroffenen, denen sie nicht helfen können? Wenn weder eine Wohnung frei ist und auch kein Zufluchtsort?

MRH: Zuflucht ist eigentlich immer gewährleistet. Wenn das Frauenhaus voll ist, wird versucht, an einen anderen Ort zu vermitteln. Es ist selten, dass eine Frau nicht in ein anderes Frauenhaus vermittelt werden kann. Selbst da ist es dann eben so, dass die Frauen für ein bis zwei Nächte in Hotels untergebracht werden. Keine Frau muss eine akute Gefährdungssituation aushalten. Wenn es zum Beispiel keine Freundin gibt, von der der Mann die Adresse nicht kennt, bei der für ein bis zwei Tage Unterschlupf gewährt werden kann, dann wird ein Hotelzimmer angemietet. Es wird viel unternommen.
RaS: Möchten Sie den Leser_innen noch etwas mitteilen?
MRH: Wichtig wäre, dass keine Frau – und natürlich auch kein Mann – Partnerschaftsgewalt aushalten muss. Und dass sich jeder Mensch in eine Beratungsstelle begeben kann oder darf und – wenn die Person gut für sich selbst sorgen möchte – auch muss. Auf jeden Fall gehen Betroffene mit einer neuen Perspektive aus so einer Einrichtung heraus. Es gibt ganz verschiedene Partnereinrichtungen in diesem Netzwerk, deren Telefonnummern wir mitgeben können oder mit denen wir direkt telefonieren können. Das ist der Vorteil, den unser Interventionsprojekt bietet: Dass es mit vielen Institutionen zum Thema Gewalt in einer Partnerschaft – oder Ex-Partnerschaft, denn manchmal fängt die Gewalt erst richtig an, wenn die Partnerschaft beendet ist – zusammenarbeitet. Und dass man sich an örtliche Beratungsstellen halten soll und nicht meinem muss, dass es irgendwie „gschamig“ sei, denn so etwas passiert sehr häufig. Nicht nur körperliche Gewalt, sondern auch psychische Gewalt, oder dass jemand den oder die Beziehungspartner_in daran hindert rauszugehen, Kontakte aufzunehmen, oder massiv über das Handy kontrolliert – auch das muss niemand aushalten. Man muss sich nicht schämen, wenn man selbst keine Lösung weiß, denn man kann andere fragen. Das würde ich gerne mitgeben, weil ich es immer wieder miterlebe in der Arbeit, dass sich ganz viele dafür schämen. Das dass nicht so sein muss, sollte jedermann wissen, und vor allem jede Frau!
(Komplettes Interview in der Langfassung gibt es hier)

 

Telefonnummern und Kontaktadressen bei Problemen mit häuslicher Gewalt und Gewalt in Partnerschaften:
Freiburger Interventionsprojekt gegen häusliche Gewalt (FRIG)
Wölflinstr. 4 / Telefon: 0761/8973520 / Email: info@frig-freiburg.de
Webseite: www.frig-freiburg.de

Frauen- und Kinderschutzhaus Freiburg e.V.
Telefon: 0761/31072 / Email: info@frauenhaus-freiburg.de
Webseite: www.frauenhaus-freiburg.de

Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen: 08000 116016 / Webseite: www.hilfetelefon.de

FreiRaum- Hilfen für Frauen in Wohnungsnot:
Schwarzwaldstrasse 24 / Telefon: 0761-7075-260
Email:freiraum@diakonie-freiburg.de