Ist Wohnen ein Menschenrecht?

„Wohnen ist Menschenrecht“ ist nicht nur der Name eines Vereins, der sich 2006 mit einem Bürgerentscheid erfolgreich gegen den Verkauf der Freiburger Stadtbau (FSB) gewehrt hat, sondern auch eine oft genutzte Parole. Doch wie ist es um das Menschenrecht auf Wohnen bestellt?
In der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte heißt es:

„Jeder hat das Recht auf einen Lebensstandard, der seine und seiner Familie Gesundheit und Wohl gewährleistet, einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Versorgung und notwendige soziale Leistungen (…)“ Art. 25 (1) der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (UN 1948).

Darüber hinaus wurden die Menschenrechte in der „Internationalen Konvention über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte“ als UN-Sozialpakt im Jahre 1966 konkretisiert. Das Menschenrecht auf Wohnen ist demzufolge mehr als nur ein Recht auf ein ‚Dach über dem Kopf‘. Es beinhaltet die „rechtliche Sicherheit, die prinzipielle Verfügbarkeit und den offenen, diskriminierungsfreien Zugang zu Wohnraum sowie bestimmte Bedingungen an Wohnqualität und Lage“.
Dieses Recht besteht natürlich auch, „wenn die individuellen finanziellen Mittel für den Erwerb und/oder Unterhalt nicht ausreichen“, also die Versorgung über den Markt aus eigener Kraft nicht möglich ist, so die Bewertung aus dem Nürnberger Menschenrechtszentrum. Das schlägt sich in drei Verpflichtungsdimensionen (Respektierungspflicht, Schutzpflicht, Gewährleistungspflicht) nieder. (Siehe hierzu auch die Tabelle auf der Seite 18 in Die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte: Die Interpretation ist nicht beliebig!)

Recht ist ein umkämpftes Feld
Jedoch Recht ist ein umkämpftes Feld und muss sich immer wieder aktiv genommen werden. So wurde nach langen sozialen Auseinandersetzungen von Obdachlosen (Bewegung Les Enfants de Don Quichotte) mit Platzbesetzungen in Frankreich das Recht auf Wohnen 2007 in die Verfassung aufgenommen. Aber als die ersten versuchten ihr Recht auf eine Sozialwohnung vor Gericht einzuklagen, wurden sie von einem massiven Aufgebot der Polizei empfangen und behindert. Die Rechtswirklichkeit hinkt wie so oft der Gesetzgebung noch hinterher.

„Nimmt man [die Menschenrechte] ernst, dann verweisen sie auf ein Gesellschaftsmodell, das die bestehenden Verhältnisse radikal in Frage stellt.“ (medico International)

Das Recht auf Stadt, also das Recht auf den Nichtausschluss von den Qualitäten und Leistungen der urbanisierten Gesellschaft, hat Parallelen zu den Menschenrechten. Es geht um die Nicht-Diskriminierung (Nicht-Exklusion) und den Aufbau einer Gesellschaft, die nicht auf Ausgrenzung und Ungleichheiten zielt.
Dabei ist das RECHT auf Stadt kein juristisches, es verlässt sich auch nicht auf die Justiz. Es ist das Recht auf Selbstermächtigung und -organisation.
Es ist das Recht „auf Zentralität, als den Zugang zu den Orten des gesellschaftlichen Reichtums, der städtischen Infrastruktur und des Wissens; und das Recht auf Differenz, das für eine Stadt als Ort des Zusammentreffens, des Sich-Erkennens und Anerkennens und der Auseinandersetzung steht […] Es beschränkt sich nicht auf die konkrete Benutzung städtischer Räume, sondern umfasst ebenso den Zugang zu den politischen und strategischen Debatten über die künftigen Entwicklungspfade. Das Recht auf die Stadt orientiert sich an den utopischen Versprechungen des Städtischen und reklamiert ein Recht auf die schöpferischen Überschüsse des Urbanen“ (Andrej Holm).

Selbstorganisiert die Polizeiakademie neugestalten
Den „Zugang zu den politischen und strategischen Debatten über die künftigen Entwicklungspfade“ wollen wir mit der Veranstaltung am 31. Januar einfordern und den Fokus auf das Gelände um die Polizeiakademie, die in den nächsten Jahren schließen wird, legen. Das Land hat angekündigt Grundstücke verbilligt an soziale Wohnprojekte abgeben zu wollen. Wir haben schon mehrmals darüber berichtet – wir sind der Meinung, dass hier ein sozialer, ökologischer und demokratischer Stadtteil von Unten entstehen soll. Also ein Quartier, in dem verschiedenen Bedürfnisse (Wohnen, Arbeit, politische Projekte…) verschiedener sozialer Gruppen zusammen kommen, realisiert durch die Bereitstellung dauerhaft gebundenen Wohnraums und durch ein gemeinsam von Unten entwickeltes Konzept. Um dieses Konzept mit möglichst vielen verschiedenen Menschen zu entwickeln und auch um den nötigen Druck aufzubauen, um unsere Utopie Wirklichkeit werden zu lassen, braucht es zahlreiche Leute, die Lust haben, sich einzubringen. Kommen wir zusammen und fangen an!