STADT-FÜR-ALLE-NACHRICHTEN (05/06 2016)

Nun sind sie wieder da, die „Stadt für Alle“ Nachrichten aus Freiburg und der Welt. Wer nicht lesen will, kann hören! Zumindest diese Stadt-für-Alle Nachrichten

HARTZ IV: KAMPF GEGEN DIE ARMEN GEHT WEITER
Die geplanten Gesetzesänderungen, die noch vor der Sommerpause verabschiedet werden sollen, würden das Hartz-IV-Regiment weiter verschärfen. Im Fokus stehen nicht nur Hartz-IV-BezieherInnen unter 25 Jahren, die wie bisher damit rechnen müssen, bei lediglich einem abgelehnten Job schon die kompletten Leistungen gestrichen zu bekommen, sondern nun auch ältere Hartz-IV-BezieherInnen. Geplant sind Zwangsverrentungen ab 63, was für die Betroffenen erhebliche Rentenkürzungen bedeuten könnte. Als „sozialwidriges Verhalten“ gilt zukünftig, wenn durch eigenes Verhalten die Hilfsbedürftigkeit erhöht oder nicht verringert wird. Unter ein solches Verhalten könnte die Ablehnung einer vermeintlich zumutbaren Stelle fallen. Konsequenz soll zukünftig sein, dass Personen verpflichtet werden könnten, bereits erhaltene Leistungen an das Jobcenter zurückzuerstatten. Des Weiteren sollen Heizkosten bei den Mietobergrenzen nicht mehr einzeln, sondern nur noch als Pauschale berechnet werden, sodass sich viele z.B. Wohnungen mit schlechter Dämmung nicht mehr werden leisten können.

MASSIVER KAMPF GEGEN FRANZÖSISCHE AGENDA 2010
Während es gegen das von der SPD durchgesetzte Verarmungsprogramm Agenda 2010 in Deutschland nur maue Proteste gab, wehren sich die Menschen in Frankreich massiv gegen die französische Form der Agenda 2010, die die „sozialistische“ Regierung ohne Rückhalt in der Bevölkerung durchpeitschen will: mehr und flexibler arbeiten und dafür weniger Geld kriegen. Seit Monaten streikt die Gewerkschaft CGT in verschiedenen Bereichen und solidarisieren sich eher studentische und SchülerInnengruppen mit der Platzbesetzungsbewegung nuit debout. Anders als in Deutschland, wo Medien und große Teile der Bevölkerung bei langen Schlangen vor Tankstellen, die aufgrund Raffinerieblockaden nahezu kein Benzin haben, vor Wut schäumen würden, haben in Frankreich sehr viele Menschen Verständnis und wissen, dass soziale Einschnitte nur durch gemeinsames, auch mal die üblichen Abläufe störendes Handeln abgewehrt werden können.

AUSGEBEUTETE POSTBOTEN
Die Deutsche Post AG lässt ihre Briefe von Fahrern transportieren, die unter geradezu unmenschlichen Bedingungen arbeiten müssen. Es waren mal über 20.000 festangestellte Fahrer bei der Post. Nun beschäftigt das Unternehmen gerade noch 2600 Fahrer. Der Rest schuftet bei Subunternehmen, unter extrem schlechten Bedingungen. Das zeigt ein Bericht des WDR Magazins Monitor. So erhielt ein interviewter Kurierfahrer lediglich 1200 Euro für einen Vollzeitjob. Nach Abzug von Steuern und Krankenversicherung bleiben ihm nur noch 680 Euro. Auch nach einem Jahr beim Subunternehmen der Post hatte er keinen schriftlichen Arbeitsvertrag. Der Lieferwagen ist deshalb nicht nur für ihn, sondern zahlreiche, oftmals osteuropäische Postboten Schlafplatz, Küche und Badezimmer in einem. Die Post AG machte im Briefgeschäft 2015 einen Gewinn von 1.1 Milliarden Euro.

VONOVIA MACHT IMMER MEHR PROFIT
Das größte deutsche Wohnungsunternehmen, die Vonovia, ehemals deutsche Annington, profitiert massiv vom Kauf der Gagfah und der Süddeutschen Wohnen. Die Dividende per Aktie soll im Vergleich zu 2015 um 12% steigen. Die Mieteinnahmen stiegen durch die Zukäufe um etwa 50%. Die Aufwendungen für Instandhaltungen stiegen nur um gut 1/4. Die sich daraus ergebende Vernachlässigung von Instandhaltungsarbeiten bekommen regelmäßig die MieterInnen zu spüren. Auch in Freiburg gibt es eine Mieterinitiative, die sich gegen die Mängel an ihren Vonovia-Wohnungen organisiert. Immer mehr Geld verdient der Konzern auch im Dienstleistungsbereich. „Die Wachstumsraten bei Dienstleistungen sind sehr hoch“ erklärt der Vonovia-Chef. Wenig erstaunlich, wenn man das Nichtstun der jeweiligen Hausverwaltungen bei gleichzeitiger Bezahlung betrachtet.

BERLIN: FERIENWOHNUNGSVERBOT BLEIBT
Berliner VermieterInnen sind mit ihrer Klage gegen das Verbot, in Wohnhäusern Ferienwohnungen zu vermieten, vor dem zuständigen Verwaltungsgericht gescheitert. Sie hatten sich in ihrer „Berufsfreiheit“ eingeschränkt gefühlt und kritisierten das Gesetz als unverhältnismäßig. Auch in Freiburg gilt ein Zweckentfremdungsverbot, das die Umwandlung von Wohnraum in Ferienwohnungen verbietet.

UNMENSCHLICHE BEHÖRDEN
Die Abschiebepraxis in Baden-Württemberg scheint sich unter Grün-Schwarz weiter zu verschärfen. Neben den drei Sammelabschiebungen pro Monat in Richtung Balkan kommt es jetzt offenbar auch verstärkt zu Abschiebungen direkt aus den Ausländerbehörden. So geschehen etwa in Stuttgart, Bahlingen, Esslingen und Tübingen. Das zeigt wieder einmal die direkte Beteiligung von Ausländerbehörden bei Abschiebungen. In Reutlingen wurde ein Betroffener sogar direkt aus der Schule abgeschoben.

KEIN DATENSCHUTZ FÜR FLÜCHTLINGE
Nach monatelanger Zusammenarbeit mit European Homecare, z.B. in der Freiburger Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge, hat das Regierungspräsidium Freiburg die Standards in den Erstaufnahmestellen des Regierungsbezirks noch durch keinerlei Verträge gesichert. Dies hat eine Anfrage der Humanistischen Union ergeben. Ohne vertraglich festgelegte Standards gibt es etwa in Freiburg elektronische Ein- und Ausgangskontrollen. Durch die Speicherung der Daten werden von den Schutzsuchenden Anwesenheits- und Persönlichkeitsprofile erstellt. Dass es auch mit dem Schutz vor Weitergabe der Daten an Dritte nicht weit her ist, zeigt die Tatsache, dass Geflüchtete, wenn sie mehrere Tage nicht anwesend sind, automatisch als untergetaucht gelten und zur Fahndung ausgeschrieben werden.

[FR] ZWEIFELHAFTE KONTROLLEN IN STRASSENBAHNEN
Anfang Juni haben Polizei und VAG gemeinsam eine Großkontrolle in Freiburger Straßenbahnen durchgeführt. Die Aktionen, für die die Straßenbahnen angehalten wurden, fanden an den Haltestellen Technisches Rathaus, Bissierstraße und Paduaallee statt. Die Polizei sieht darin ein „Mittel der Kriminalitätsbekämpfung und -vorbeugung“. Der Arbeitskreis kritischer JuristInnen kritisiert in einer Mitteilung die Großkontrolle als unverhältnismäßig. Es liege keine ausreichende Gefahrenprognose vor. Selbst nach Polizeigesetz braucht es für solche Identitätsfeststellungen eine abstrakte Gefahr, die die Freiburger Polizei offenbar nicht nachweisen kann. Der akj kritisiert  auch nochmals die Einrichtung des Freiburger Gefahrengebiets Stühlinger Kirchplatz. Die jeweils folgenden anlasslosen Identitätskontrollen greifen „erheblich in die Grundrechte ein, dienen der Durchsetzung hegemonialer Ordnungsvorstellungen und führen stets zu bewusster oder unbewusster Diskriminierung durch Polizeibeamt*innen, vor allem auf Grundlage rassistischer Vorurteile“, so der akj.

BELGRAD: WIDERSTAND GEGEN GENTRIFIZIERUNG
Während große Teile der Bevölkerung in großer Armut leben, plant ein Investor aus Abu Dhabi, das Belgrader Künstlerviertel Savamala in eine schicke Wohn- und Shoppinggegend zu verwandeln. Einkaufszentren, Bürogebäude, Wohnhäuser und ein Wolkenkratzer sollen entstehen. Da kommt es dann auch mal vor, dass Maskierte zum Abriss vorgesehene Häuser demolieren. Mehrere Zehntausend demonstrierten Mitte Juni gegen das Projekt und skandierten an die Politik gerichtet: »Wir werden nicht übergangen werden« und »Diebe«.