Unter dem Motto „Was meint ihr, wenn ihr sagt, ihr seid gegen rechts? “ findet sich bei Radio Dreyeckland ein Kommentar, den wir hier gekürzt und leicht überarbeitet noch einmal abdrucken.
In Mönchengladbach wurde am 27. Mai ein Anschlag auf ein Wohnheim der Lebenshilfe verübt. In dem Heim wohnen Menschen mit Behinderungen. Es war eindeutig ein Anschlag von Nazis. Auf dem Stein, mit dem sie eine Fensterscheibe der Eingangstür einschlugen, stand „Euthanasie ist die Lösung“. Ein klarer Mordaufruf gegen Menschen mit Behinderung. Die NS-Sprache und -ideologie ist eindeutig und die Botschaft auch. Sie richtet sich an alle Menschen mit Behinderungen, ob mit sichtbaren oder unsichtbaren Behinderungen. Sie bedroht alle. Ableismus tötet, heißt ein Statement der Community. Die Meldung dieses Anschlages fand relativ wenig Resonanz in Presse und Medien. Nur die Lebenshilfe in Mönchengladbach rief zu einer Kundgebung auf. Sie ging allerdings bei der Organisation der Kundgebung über die Menschen mit Behinderungen und auch an deren bestehenden Communities hinweg. Es gab deswegen im Vorfeld viel Kritik am Vorgehen der Lebenshilfe von Seiten vieler behinderter Menschen, u.a. von der Gruppe Rollfender Widerstand. Nach dem Motto: „Nichts über uns ohne ohne uns!“ wollten sie einen Redebeitrag halten, durften aber nicht. Das hätten sie u. a. gesagt: „Wir verurteilen die Anschläge der vergangenen Wochen extrem. Wir sind der Meinung, dass mehr Leute aus Werkstätten, Tageseinrichtungen, Wohngruppen und Co. zugehört werden sollte. Und nicht nur Leuten, bei denen die Inklusion von Tag eins an funktioniert hat. (…) Wir wollen diesen Tag auch nutzen, um an die ermordeten Menschen in Potsdam zu gedenken: Am 28. April 2021 waren vier Personen von einer Pflegekraft ermordet worden. Auch im Ahrtal mussten nur wenige Monate später zwölf Menschen sterben, weil es für sie keinen sicheren Fluchtweg aus der Flut gab. (…) Wir wollen, dass es überhaupt keine Diskussion gibt, ob Leben von irgendwem lebenswert ist oder nicht. Alle Leben sind lebenswert. Wir fordern, dass jeder Mensch die freie Wahl hat, wie der Mensch wohnen möchte. Wir fordern die Abschaffung von Heimen und Unterbringung, weil dort Gewalt herrscht und Exklusion gefördert wird. Die Aussonderung ist so krass, es gibt keine Begegnungen im Alltag.“ Soweit einzelne Passagen aus dem in Mönchengladbach NICHT gehaltenen Redebeitrag. Auch hier in Freiburg war es eine Woche später, am 2. Juni, nicht möglich, zu diesem Anschlag einen Redebeitrag zu halten. Auf der „Wir sind die Brandmauer“ – Gemeinsam gegen Rechts Demo waren es angeblich zu viele Reden. So eine riesen Demo gegen Rechts hätte eigentlich DER Ort sein können, um einen gerade aktuell verübten faschistischen Anschlag öffentlicher zu machen, diesen Anschlag zu verurteilen und Solidarität zu zeigen mit den mit am meisten von rechten Ideologien, Hass, Diskriminierung und Gewalt bedrohten marginalisierten Bevölkerungsgruppen. Und das sind eindeutig Menschen mit Behinderungen, die von Ableismus betroffen sind. Genauso wie Menschen, die von Rassismus betroffen sind, von Sexismus, von Queer- und Transfeindlichkeit, von Antisemitismus oder wenn sie Sinti oder Roma sind.
Was heißt also bitte „gegen Rechts“? Was bedeutet das, wenn es inhaltlich nicht durch aktuelles Geschehen gefüllt werden darf? Wenn es keine Solidarität gibt und kein Erkennen einer faschistischen Struktur und Kontinuität, einer antifaschistischen Notwendigkeit an einem bestimmten Punkt. Geschichte nein danke? Alles nur hohl? Wofür stehen Menschen ein, wenn sie sagen, sie sind gegen Rechts. Was finden sie rechts, wenn es ein Anschlag mit Morddrohung auf behinderte Menschen anscheinend nicht ist? Und: Warum wird Ableismus. bzw. warum werden Menschen, mit sichtbaren oder unsichtbarer Behinderung überhaupt nicht wahrgenommen. Da hört links auf? Am 9. Juni – Europawahlen: Die Rechten gewinnen massiv. Gegen rechts sein! Unbedingt! Das heißt aber konkret solidarisch zu sein mit allen Menschen, speziell aber mit denen, die marginalisiert, diskriminiert und ausgegrenzt werden. Gegen Rechts zu sein heißt eintreten für eine freie und diverse Gesellschaft, vor allem konkret im Alltag.
Juli 01 2024