Symbolisch Antiziganismus anerkennen, aber den konkreten Fall ignorieren: So erklärt der aktuelle Roma/Sinti-Diskriminierungsbericht, herausgegeben vom Freiburger Romabüro in Kooperation mit dem Freiburger Sintiverein, den Umgang mit der Diskriminierung der Minderheit.
Auf Bundesebene habe sich einiges verbessert, z. B. mit der Einrichtung der Melde- und Informationsstelle Antiziganismus MIA.
Die Stadtpolitik und -verwaltung benenne auf Veranstaltungen zwar einen ansteigenden Antiziganismus, ignoriere und delegitimiere aber die Berichte der hundertfach erlebten und selbst aufgezeichneten Diskriminierungsfälle von Bürgern ihrer Stadt. Der Bericht ist wieder einmal voll von solchen Fällen, die auch die Stadtverwaltung betreffen: „Das Ordnungsamt Freiburg schrieb uns, dem Sinti Verein, einen offiziellen Brief in dem er uns Sinti als ausländische Organisation festschreibt und wir den Fragebogen innerhalb von zwei Wochen beantworten sollen. Wir haben das Schreiben ignoriert. Wir Sinti leben seit über 500 Jahren hier in der Regio und das Freiburger Ordnungsamt macht uns mal kurz zu Ausländern?“ Nicht nur mit dem Ordnungsamt, sondern auch mit der Polizei gibt es viele negative Erfahrungen, auch wenn der Bericht konstatiert, dass eine Kooperationsvereinbarung zwischen Sinti-Verein, Romabüro und Polizeipräsidium zu einer deutlichen Entspannung rund um den sogenannten Sintiplatz am Auggener Weg geführt hat. Nun kommt nicht mehr wegen jeder Kleinigkeit die Bereitschaftspolizei und eskaliert die Lage. Im Sommer 2023 sahen sich die Weingartner Jugendlichen dafür mit einer Kontrollpraxis der Polizei konfrontiert, die in ihrem Ausmaß wohl nichts anderes als Schikane war. „Wir sitzen als Gruppe von Jugendlichen am Schreibwarengeschäft in Weingarten einfach nur so rum und werden plötzlich von Polizisten kontrolliert. Unsere Roller wurden auseinandergenommen, die Papiere eingesehen, obwohl die Polizisten die meisten von uns schon mehrmals kontrolliert haben und uns mittlerweile kennen. Es ist Schikane und Machtdemonstration, wir sollen das Gefühl bekommen unter Kontrolle zu stehen. Vielleicht wollen sie uns auch provozieren, um dann draufzuhauen. Siehe Frankreich“, so die Schilderung eines 17-jährigen Sinto.
Ausbeutung
Ausführlich widmet sich der Diskriminierungsbericht dem Themenfeld Arbeit, wo die Verletzlichkeiten unter den Roma ausgenutzt wird. Tomas Wald vom Romabüro geht auf Drittstaat-Romaflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien und EU-Arbeitsmigrant:innen, meist aus Rumänien und Bulgarien ein. „Beide Gruppen von Arbeitnehmern sind von ihren Arbeitgebern leicht erpressbar, da sie gegenüber der Ausländerbehörde (die Drittstaat-Flüchtlinge) bzw. dem Jobcenter (die EU-Arbeitsmigranten) nachweisen müssen, dass sie ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können, um nicht ihren Aufenthalt zu verlieren bzw. abgeschoben zu werden. „Wir Ausländer müssen mehr arbeiten als Deutsche. 39 Ausländer (davon 7 Roma) und 4 Deutsche arbeiten bei (…) Unser Abteilungsleiter gibt den Ausländern mehr Arbeit, fordert von uns schneller zu arbeiten, und auch wenn wir unsere Arbeit geschafft haben, Arbeit von Deutschen zu übernehmen. Ich brauch den Job um in Deutschland zu bleiben“, erzählt ein 26-jähriger Rom. Viele, die hier die Dreckarbeit machen, wohnen in prekären Verhältnissen. Sie arbeiten in der in der Landwirtschaft, in der häuslichen Pflege, auf dem Bau, der Endlogistik, der Gastronomie, in der Gebäudereinigung. Ohne sie würde in Südbaden die Versorgung in den Familien und in der Wirtschaft zusammenbrechen, wie es Tomas Wald ausdrückt. „Seit Jahren sitzen Roma-Familien in den Heimen fest, einige seit 14–16 Jahren. Uns ist nur ein Umzug einer Familie in eine Privatwohnung in den letzten zwei Jahren bekannt, die wurde durch den Arbeitgeber vermittelt.“ Andere wohnen, da für sie de facto kein Wohnungsmarkt existiert, in völlig überfüllten Wohnungen und werden oftmals noch bei der Miete abgezockt. Wir sollten laut sein gegen diese durch Rassismus befeuerte Klassengesellschaft, deren Auswirkungen, wer will, auch hier in der ach so toleranten Stadt Freiburg beobachten kann.