SPD und CDU planen das Bürgergeld abzuschaffen und stattdessen eine “neue Grundsicherung für Arbeitssuchende” einzuführen. Damit wollen sie die Sanktionsmöglichkeiten für Bürgergeld-Beziehende drastisch verschärfen. Von den Milliarden, die Jens Spahns Maskenaffäre die Steuerzahlenden gekostet haben, könnten sehr viele Bezieher*innen von Bürgergeld sehr lange und sehr gut leben. Trotzdem wird lieber nach unten getreten. Wie es den Betroffenen mit den viel zu niedrigen Regelsätzen tatsächlich geht, spielt in der politischen Debatte kaum eine Rolle. Die Arbeit von sanktionsfrei ist deshalb sehr wichtig. Im Juni stellte die Initiative eine Studie vor, in der Bürgergeldbezieher:innen selber zu Wort kommen.
Der Bürgergeldsatz ist viel zu niedrig
1.014 Betroffene wurden befragt. Ergebnis: Der Regelsatz von monatlich 563 € reicht laut großer Mehrheit der Befragten (72 %) nicht aus, um ein würdevolles Leben zu führen.
Nur 9 % halten eine gesunde Ernährung mit dem Regelsatz für möglich und nur jede*r zweite Befragte gibt an, dass in ihrem Haushalt alle satt werden. Ein Drittel verzichtet auf Essen, um andere Bedürfnisse erfüllen zu können; insbesondere Eltern verzichten auf Essen zu Gunsten ihrer Kinder (54 %).
Sonderausgaben, wie für eine neue Waschmaschine stellten substantielle Einschnitte dar. „Man kommt aus. Mehr auch nicht. Wenn ein großes Haushaltsgerät kaputt geht, ist das ein
Desaster.“ „Ein knappes Drittel muss sich verschulden, um den Alltag bewältigen zu können“, so die Studie. Da das Jobcenter nach Ablauf des ersten Jahres die Mietkosten nur noch in „angemessenem Rahmen“ übernimmt und Wohnraum innerhalb dieser Richtlinien immer knapper wird, zahlen derzeit 12 % der Bedarfsgemeinschaften einen Teil ihrer Miete selbst. Im Schnitt sind das 118 € monatlich, die dann entweder vom Regelsatz bezahlt werden müssen, oder zu Mietschulden und schließlich zur Kündigung führen können.
Betroffene wollen arbeiten, können es aber nicht
Oft wird behauptet, Bürgergeldbezieher*innen würden in der „sozialen Hängematte“ liegen wollen. Dazu erklärt sanktionsfrei: Dabei wird außen vorgelassen, dass viele Menschen im Bürgergeld bereits arbeiten (831.882 Aufstocker*innen), nicht erwerbsfähig sind (ca. 1,5 Mio.) oder dem Arbeitsmarkt derzeit nicht zur Verfügung stehen, weil sie Angehörige pflegen, Kinder betreuen, einer Ausbildung oder Maßnahme nachgehen oder erkrankt sind (ca. 1,1 Mio.)
Die Befragung hat ergeben, dass der Wunsch vom Bürgergeld unabhängig zu werden stark ausgeprägt ist (74 %). Jedoch sind nur Wenige zuversichtlich, dass sie auch eine Stelle finden werden, mit der sie den Bürgergeldbezug beenden können (26 %). Die Mehrheit der Befragten gibt an, dass körperliche Einschränkungen (59 %) oder psychische Erkrankungen (57 %) für sie eine Hürde bei der Arbeitssuche darstellen. Dass es gerade für Personen mit psychischen Erkrankungen fatal ist, wenn ihnen die komplette Streichung des Bürgergelds angedroht wird, sollte klar sein.
Sanktionsfrei stellt angesichts dieser Ergebnisse die Frage, inwiefern es für Personen im Bürgergeld tatsächlich ausreichend bedarfsdeckende Stellen gibt und wie realistisch es für die meisten Bürgergeldbeziehenden ist, den Leistungsbezug verlassen zu können.
Gesellschaftliches Stigma und Scham sind unter den Befragten sehr präsent. Nur 12 % fühlen sich zur Gesellschaft zugehörig und 42 % geben an, dass sie sich schämen, Bürgergeld zu beziehen. Dabei sagt die große Mehrheit, dass vielen Menschen nicht klar sei, wie schnell sie selbst ins Bürgergeld rutschen können (82 %). Die Mehrheit der Befragten (72 %) hat Angst vor weiteren Verschärfungen im Bürgergeld: Insbesondere die mögliche Wiedereinführung eines vollständigen Leistungsentzugs wird von den Befragten als akut existenzgefährdend