FRAG | Interfraktioneller Antrag „Kommunales Handlungsprogramm für mehr Wohnungsbau und sozial gemischte Stadtteile in Freiburg“

Hier dokumentieren wir einen Brief des „Freiburger regionaler Arbeitskreis Gemeinwesenarbeit“ (FrAG)  zum Interfraktioneller Antrag „Kommunales Handlungsprogramm für mehr Wohnungsbau und sozial gemischte Stadtteile in Freiburg“ an den Gemeinderat.

Zum nachhören gibt es ein Interview zum Brief RDL | Eine soziale Stadt heißt nicht, die Armen gut zu verteilen…

Sehr geehrte Damen und Herren,

vielen Dank für den interessanten, wichtigen und umfassenden Antrag. Er ist auf jeden Fall  ein wichtiger Schritt, um ein für die Stadt Freiburg bedeutendes Thema zu bearbeiten. Wir  wenden uns heute als Freiburger regionaler Arbeitskreis Gemeinwesenarbeit (unsere Einrichtungen sind im Rahmen der Quartiersarbeit in den Stadtteilen Weingarten, Haslach, Vauban,  Rieselfeld, Untere Ferdinand-Weiß-Straße, Westlich der Merzhauser Straße sowie in Brühl- Beurbarung tätig), der sich schon lange mit dieser Thematik beschäftigt, an Sie, um noch einige Punkte zu ergänzen, die uns für die Diskussion bedeutsam erscheinen.

Aus unserer Sicht sollten in der weiteren Debatte auch folgende Punkte berücksichtigt werden:

  • Die Stadt Freiburg sollte bei Grundstücksverkäufen nicht automatisch den höchst bietenden Käufer, sondern denjenigen mit dem überzeugendsten sozialen Konzept zum Zuge kommen lassen (siehe BZ vom 05.12.11). So kann bei Neubauvorhaben dafür gesorgt  werden, dass sozialer und bezahlbarer Wohnraum entsteht.
  • In Freiburg muss nicht nur, wie im Antrag zu Recht formuliert, neuer sozialer  Wohnungsbau forciert werden. Gleichzeitig sollte auch kritisch geprüft werden,  wie auch im bestehenden sozialen Wohnungsbau nach Ablaufen der Bindungsfrist preiswerte Mieten aufrechterhalten werden können. Hier sollte die  Freiburger Stadtbau GmbH eine Vorreiterrolle spielen.
  • Der Bau von öffentlich gefördertem Wohnraum darf nicht zu Lasten existierenden, günstigen Wohnraums gehen, wie dies in der Johann-Sebastian-Bach-Straße der Fall ist. Der  Bau öffentlich geförderter Wohnraum darf nicht zum Vorwand für Abrisspolitik werden.
  • Um den Bestand an preiswerten Mietwohnungen zu erhöhen, sollte nicht nur Wohnungsneubau angestrebt werden, sondern auch der Erwerb von Grundstücken und Wohnungsbestand (z.B. GAGFAH – Wohnungen) durch die Stadt bzw. die Freiburger Stadtbau. Um  die soziale Segregation in den Stadtteilen zu verhindern, sollte der so genannte Streubesitz  nicht veräußert werden.
  • Die Stadt Freiburg sollte eine Beratungsstelle zur Mietpreiskontrolle einrichten, wie es z. B.  die Stadt Frankfurt tut, nach dem Motto: „Ein Dach über dem Kopf, aber nicht um jeden  Preis.“ Liegt die Miete um mehr als 20% über der ortsüblichen Vergleichsmiete, können  sich Bewohner/Innen an die „Mietpreiskontrolle“ wenden, welche ggf. rechtliche Schritte  nach dem Wirtschaftsstrafgesetz einleitet.
  • Ebenfalls in Frankfurt unterstützt die städtische Wohnungsaufsicht MieterInnen, deren  Vermieter sich weigern, nötige Instandhaltungen durchzuführen. Auch dies sollte für Freiburg geprüft werden, insbesondere angesichts der Problematik in den GAGFAH-Häusern. Sollte hierfür eine landesrechtliche Grundlage notwendig sein, müsste die Stadt Freiburg  sich unseres Erachtens hierfür mit Nachdruck bei der Landesregierung und den Landtagsfraktionen einsetzen.
  • Ebenso sollte die Einrichtung einer städtischen mietrechtlichen Beratungsstelle bzw. die  Übernahme von Beratungskosten für MieterInnen mit geringem Einkommen diskutiert werden. Auch hier gibt es Beispiele aus anderen Städten.
  • Die Stadt Freiburg sollte bei der Landesregierung darauf hinwirken, die Möglichkeit eines  Zweckentfremdungsverbotes wieder einzuführen, das z. B. Wohnungsleerstand oder die  Umwandlung von Wohnungen in Büroräume, Ferienwohnungen oder Praxen erschwert.
  • Selbsthilfe- und Mitmachprogramme unter Einbeziehung von Menschen mit geringen Einkommen bei der Instandsetzung und Sanierung von Wohnraum sollten ebenso gezielt gefördert werden, wie Modelle der Mieterselbstorganisation.
  • Auch wenn die gleichmäßige Verteilung von ausreichend bezahlbaren Wohnraum auf die  ganze Stadt ein berechtigtes Anliegen ist, das wir unterstützen, kann es langfristig nicht um  nur eine „gerechte Verteilung“ von bestimmtem Bevölkerungsgruppen gehen, sondern  auch um eine strukturelle Veränderung, die es möglich macht, dass es zu keiner so ausgeprägten Segmentierung in der Stadt kommt. Angesprochen ist hier eine effektive Politik der  Armutsprävention und -bekämpfung.

Wir sind überzeugt, dass es nur gemeinsam mit allen Beteiligten (hier ist auch die neue Landesregierung zu nennen) gelingen kann, eine für alle Menschen lebenswerte Stadt zu gestalten. Der Freiburger regionale Arbeitskreis Gemeinwesenarbeit würde bei diesem Prozess  gerne beteiligt sein und sich mit seinen Erfahrungen aus den Stadtteilen in die weiteren Überlegungen im Rahmen des Interfraktionellen Antrags mit einbringen.

Mit freundlichen Grüßen
gez. Dr. Clemens Back
(Sprecher FRAG)

Freiburg, den 8. Dez. 2011

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