STADT-FÜR-ALLE-NACHRICHTEN (05/06 2015)

Nun sind sie wieder da, die „Stadt für Alle“ Nachrichten aus Freiburg und der Welt. Wer nicht lesen will, kann hören! Zumindest diese Stadt-für-Alle Nachrichten (Rückblick 15. Mai – 15. Juni 2015)

 

[FR] WEINGARTEN: EIGENTUM STATT BEZAHLBARER WOHNRAUM
Die Freiburger Stadtbau plant das Hochhaus im Binzengrün 34 im Stadtteil
Weingarten zu sanieren und anschließend in Eigentumswohnungen umzuwandeln. Die Stadtbau rechnet damit, dass maximal 5% der bisherigen, oft seit Jahrzehnten hier wohnenden MieterInnen wieder zurückziehen werden. Wer wieder zurück will, wird nicht in  der Nähe mit Wohnraum „zwischenversorgt“, sondern muss ihre bzw. seine gewohnte Umgebung für die Zwischenzeit verlassen. Nach einer gewissen Schonfrist wird die Wohnung im Fall der Rückkehr auf jeden Fall ca.1,80 €- pro Quadratmeter teurer werden. Der exklusive Bürgerverein, der, ohne eine Basis unter der Bevölkerung zu haben, als Ansprechpartner für die Politik dient, setzt sich für die Umwandlung in Eigentum ein, entgegen der Interessen der MieterInnen.

KEINE ZWANGSRÄUMUNG IST JE VERGESSEN!
Tina S. lebte rund 40 Jahren in ihrer Wohnung in Berlin Wedding. Im Juli 2014 wurde sie zwangsgeräumt. Das Jobcenter hatte vergessen die Miete zu überweisen. Obwohl die offenen Beträge im Nachhinein beglichen wurden, entschied das Gericht gegen sie. Ein erster Räumungsversuch wurde durch die Blockade in Zusammenarbeit mit dem Bündnis „Zwangsräumungen verhindern“ gestoppt. Zu einem späteren Zeitpunkt konnte eine Räumung allerdings nicht erneut verhindert werden. Jetzt wird die Wohnung verkauft. Die Wohnung hat nun nur noch drei Zimmer mit 80 qm² anstatt vier Zimmer mit 100 qm². Statt knappen 400 Euro für 100 qm² kostet das Ganze nun 11€ pro Quadratmeter. Einen Besichtigungstermin nutzten AktivistInnen jetzt, um das mit einer Mietenparty mit der Vermieterin zu feiern.
Keine Zwangsräumung ist je vergessen! Spekulant_innen angreifen.
In Freiburg ist das örtliche Bündnis gegen Zwangsräumung unter zwangsraeumungenverhindernfr.noblogs.org zu erreichen.

OBDACHLOSIGKEIT IN ATHEN STEIGT MASSIV AN
Während die Troika, die nicht Troika genannt werden darf, also der IWF, die europäische Zentralbank und die Europäische Kommission, von Griechenland immer weitere Einschnitte in den Sozialstaat fordern, steigt die Zahl der Obdachlosen in Griechenland massiv an. Allein in Athen leben 17.700 Menschen komplett obdachlos auf der Straße. Bis zu 500.000 Menschen sollen in Autos und in ähnlich unpassenden Unterkünften hausen.

GRIECHENLAND 2.: SPARMASSNAHMEN TREFFEN DIE SCHWÄCHSTEN
In nur 4 Jahren, zwischen 2008 und 2012, verlor das ärmste Zehntel der griechischen Bevölkerung sage und schreibe 86 Prozent seines Haushaltseinkommens. Im Durchschnitt verloren die Haushalte knapp 23 Prozent, das reichste Zehntel der Bevölkerung verlor allerdings „lediglich“ 17 Prozent des Haushaltseinkommens. Fast jeder dritte Haushalt musste 2012 mit einem Jahreseinkommen unter 7.000 Euro auskommen. Heutzutage dürften die Zahlen noch düsterer aussehen.

[FR] WUCHERMIETE TRIFFT RUMÄNISCHE FAMILIE
Eine rumänische Familie, die in der ECA Siedlung wohnt, zahlte für ihre Wohnung 1000€ Miete pro Monat an einen Elternverein, der die Wohnung von der Stadtbau gemietet hatte. Bei einem Grillfest und dem Gespräch mit den Nachbarn erfuhr die Familie dann: Die Nachbarn zahlen für die gleiche, knapp 60 Quadratmeter große Wohnung den Mietspiegel-Preis von 425 Euro. Das rumänische Ehepaar, und der Bruder des Mannes arbeiten in der Baubranche, wo migrantische Arbeitskräfte häufiger ausgebeutet werden. Nach Intervention des Mieterbeirats der Stadtbau wurde der Mietvertrag mit der Elterninitiative aufgelöst. Die Familie mietet jetzt direkt bei der Stadtbau und zahlt nun den regulären Mietpreis von 425 €. Die Elterninitiative soll nun den Überschuss durch die Wuchermiete an die Familie zurückzahlen.
Merke: Mit den Nachbarn über die eigenen Wohnbedingungen reden hilft!

KIRCHZARTEN NUR NOCH FÜR REICHE UND TOURISTEN?
Kirchzarten und  die  übrigen Dreisamtalgemeinden sind über die letzten Jahrzehnte zu sündhaft teuren Wohnorten  verkommen, die  Bevölkerungsstruktur wandelt sich markant: Normal-  und  GeringverdienerInnen können sich das Wohnen immer weniger leisten und werden durch wohlhabende Neuzuzüger ersetzt. Darauf macht die Gruppe „Links im-Dreisamtal“ aufmerksam. Obwohl die Zahl der Sozialwohnungen in Freiburg auf einen Tiefstand angekommen ist, gibt es in Freiburg bezogen auf die Bevölkerungszahl siebenmal  so viele Sozialwohnungen wie in Kirchzarten. Die Initiative fordert, wie nun in Freiburg beschlossen, mehr sozialen Mietwohnungsbau und für das Baugebiet am Kurhaus
verbindliche und transparente  soziale  Vergabekriterien.

[FR] KAMPF GEGEN ARME RECHTSWIDRIG
In den letzten Jahren hat das Amt für öffentliche Ordnung der Stadt Freiburg mehrere gleichlautende Verfügungen gegen Flüchtlinge erlassen, mit denen ihnen der Aufenthalt vor den Recyclinghöfen in Freiburg untersagt wurde. Nun wurde diese Praxis erstmals vor dem Freiburger Amtsgericht verhandelt. Dem Betroffenen Rom war für zwei Jahren verboten worden, sich vor den Recyclinghöfen in Freiburg aufzuhalten. Als er sich zum Einkaufen in der Nähe eines Recyclinghofes befand, wurde er von der Polizei kontrolliert und erhielt ein Bußgeld. Hiergegen legte er Einspruch ein. Der Richter erklärte, das Aufenthaltsverbot sei „eindeutig rechtswidrig“ und stellte das Verfahren ein. Die Stadt Freiburg hatte mit dem Vorgehen des Ordnungsamtes Geflüchteten, die keine Arbeitserlaubnis erhalten und oft noch gekürzte Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten, auch noch verbieten wollen, auf andere Weise, selbstorganisiert, Güter zu bekommen. De facto stellte dies ein „Bettelverbot“ und eine Bestrafung von Armut dar. Damit ist nun hoffentlich Schluss!

[FR] KEINE BRACHE FÜR SAND IM GETRIEBE
Die Wagengruppe Sand im Getriebe, deren  Wagen letztes Jahr 6 Monate beschlagnahmt waren und die über keinen gemeinsamen Stellplatz verfügt, hat erneut einen Teil des Götz und Moritz Areals im Stadtviertel Schildacker besetzt. Allerdings dauerte die Besetzung nur einen Abend und eine Nacht. Anschließend wurde durch die Polizei geräumt. Das Architekturbüro, das beim Rahmenkonzept Schildacker die Jury insgesamt am meisten überzeugt hatte, hatte für den Ort der Besetzung einen Wagenplatz vorgesehen. Nun heißt’s aber wieder: Brache statt Wagenleben und Anzeigen wegen vermeintlichen Brachenfriedensbruchs.

HARTZ IV SANKTIONEN VERFASSUNGSWIDRIG?
Nach 10 Jahren Hartz IV Sanktionspraxis hat das Sozialgericht Gotha der Klage eines Hartz IV-Beziehers stattgegeben und die Sanktionen im Hartz-IV-System als verfassungswidrig beurteilt. Die Klage wird nun dem  Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt. Die Leistungskürzungen  wegen vermeintlicher Pflichtverstöße, z.B. wegen Nichteinhaltung eines  Jobcenter-Termins oder bei abgelehnten Jobangeboten stehen also zur Disposition. Roland Rosenow von der Kanzlei Sozialrecht in Freiburg erklärte gegenüber Radio Dreyeckland, er könne sich vorstellen, dass das Verfassungsgericht die Sanktionsmöglichkeiten mindestens einschränkt. Er rät deshalb nun allen ALG II EmpfängerInnen, die einen Sanktionsbescheid  erhalten, dringend Widerspruch gegen diesen einzulegen und Klage zu  erheben, um so die Chance zu haben, nachträglich Geld zurück zu erhalten. Der Rat ließe sich auch auf Kürzungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz anwenden.