Im Grün sind sich nicht alle grün! – Solidaritätserklärung mit dem Kyosk/Interym im Stadtteil im Grün

Laut Badischer Zeitung rumort es im Freiburger Quartier im Grün: Graffiti, Lärmbelästigung, Drohungen und Gewalt gegen Anwohner*innen soll es geben. Die Verursacher*innen werden von einer überschaubaren Gruppe Anwohner*innen – organisiert im Lokalverein Innenstadt – im Kyosk/Interym einem kleinen nicht-kommerziellen Nachbarschaftsladen m Grün ausgemacht. Im Verlauf einer unangemeldeten Rave-Demo nach dem SUSI-Fest in der Nacht vom 17. auf den 18. Juni, welche von der Polizei ins Grün geleitet worden war, waren dort Graffiti gesprüht worden. Außerdem trug ein Anwohner, welcher mit einem Teleskopschlagstock bewaffnet die Demo-Teilnehmer*innen angreifen wollte, leichte Blessuren davon. Diesen Anlass missbraucht nun diese Anwohnerfraktion und nutzt ihre Kontakte zu den Gemeinderatsfraktionen der Grünen und der Freien Wähler, um den Kyosk/Interym, den sie fälschlicherweise als treibende Kraft hinter der Rave-Demo ausmacht,(1) im Gemeinderat zum Thema zu machen. Das Ziel ist dabei klar: Die Schließung des Kyosk/Interym!

Bei der Auseinandersetzung im Grün geht es jedoch nicht nur um Ruhestörungen, sondern hier wird vielmehr ein politischer Konflikt ausgetragen, an welchem gut deutlich wird, wie Stadt(teil)politik in Freiburg abläuft, welche Stimmen gehört werden und welche nicht.

Auf der einen Seite steht eine kleine Gruppe Anwohner*innen, welche über den Lokalverein Innenstadt gute Kontakte in den Gemeinderat hat. Ihr Ziele sind ein ruhiges und ordentliches Quartier, ohne Graffiti, Kneipen und (links)alternativer Subkultur. Besonders letzteres Ziel teilen auch andere Akteure: Die Gemeinderatsfraktionen der CDU, Grünen und der Freien Wähler, Teile der Stadtverwaltung, insbesondere das Amt für öffentliche Ordnung und die Freiburger Polizei. So heißt es in der Antwort des Bürgermeisteramtes auf die Anfrage der Grünen:
„Auch aus Sicht der Verwaltung und der Polizei ist der „Kyosk“ seit Jahren um den 1. Mai herum sowie bei Beginn und Ende von zahlreichen Demonstrationen ein zentraler Treffpunkt für die Teilnehmenden. Aktivitäten des linksautonomen Spektrums hatten in den vergangenen Jahren oft Ihren Ausgangspunkt im Stadtteil „Im Grün“ und hier ganz speziell im Bereich Adlerstraße, Belfortstraße, Wilhelmstraße und Moltkestraße. Welche zentrale Rolle der „Kyosk“ hierbei spielte, zeigt insbesondere die Maifeier in 2013, bei der der Betrieb des „Kyosk“ erstmals amtlich untersagt wurde. Dabei war die Unterbindung des Betriebs des „Kyosk“ nach Einschätzung des Einsatzleiters ein wesentlicher Erfolgsfaktor für das Gelingen des damaligen Polizeieinsatzes.“

 

Mit dem „Gelingen des Polizeieinsatzes“ war die Besetzung des Quartiers durch Einsatzhundertschaften der Polizei gemeint, welche am 1. Mai 2012 begann und sich bis zum 1. Mai 2016 hinzog. Als Konsequenz gibt es das autonome Straßenfest im Grün heute so nicht mehr. Ein durchaus erfolgreicher Schlag gegen die außerparlamentarische Linke und ein Paradebeispiel für tendenziöse Darstellung von Sachverhalten.

Auch ein anderes politisches Problem wird an dem Konflikt deutlich: Die Scheindemokratisierung von Stadtteilpolitik. Der Lokalverein Innenstadt präsentiert sich selbst als Interessenvertretung der Bewohner*innen des Quartiers und wird auch von der Stadtverwaltung so gesehen. Faktisch engagiert sich aber nur eine kleine Gruppe von Menschen mit einem gewissen Einkommen, einem gewissen Bildungsgrad und genug freier Zeit in diesem Gremium. Das Bürgerforum, eine andere Interessenvertretung im Viertel, wurde beispielsweise nicht zu Rate gezogen. Gruppierungen wie der Lokalverein Innenstadt verallgemeinern ihre speziellen Interessen und – so diese Interessen auch die der Verwaltung sind – bekommen dafür die Anerkennung der Stadtverwaltung. So werden aus den Interessen einer kleinen Gruppe plötzlich die Interessen aller Einwohner des Viertels Im Grün und die Stadtverwaltung kann ihre Aktionen als im Interesse der Bewohner*innen darstellen. Der Öffentlichkeit wird das Ganze dann in der meist unkritisch berichtenden Badischen Zeitung präsentiert. Ein Ort wie das Kyosk/Interym stört diese vorgebliche Harmonie, indem es die Divergenz der Interessen im Viertel sichtbar macht. Man glaubt es kaum, aber manche Bewohner*innen schätzen eben Graffiti, Kneipen und alternative Subkultur. Als Konsequenz muss es weg.
Solch eine Entwicklung beschränkt sich nicht allein auf das Quartier Im Grün. Auch in Weingarten fand mit dem Maulkorberlass für das Stadtteilzentrum Forum Weingarten ein ähnlicher Prozess statt.

Als Netzwerk von links und von unten, welche sich eine Demokratisierung der Stadtpolitik auf die Fahnen geschrieben hat, sehen wir es als dringend geboten an, sich mit dem Kyosk/Interym-Kollektiv zu solidarisieren. Für eine wirkliche Demokratisierung der Stadt(teil)politik!

Kyosk/Interym bleibt!

 

(1) Nicht die einzige Fehleinschätzung oder offene Lüge: So wird das Kyok/Interym in der Anfrage der freien Wähler als „nicht angemeldeter Club“ bezeichnet, in dem es zu einem „massiven Ausschank von auch alkoholischen Getränken“ kommen würde. Wer schon einmal den Kyosk/Interym von Innen gesehen oder einen beliebigen Club besucht hat, weiß von dem Irrsinn dieser Aussagen – ist doch allein der physische Raum viel zu klein um auch nur ans Tanzen zu denken.