Rechtsruck in Freiburg

Rechtsruck in Freiburg

Quelle: RDL

In Freiburg findet derzeit, analog zur gesamten Gesellschaft, ein massiver Rechtsruck statt. Es interessiert sich nur kaum jemand dafür. Denn: Es trifft immer die anderen.

Die Aufgabe des neuen städtischen „Vollzugsdienst“ – ein anderer Begriff für den vormals noch umstrittenen „kommunalen Ordnungsdienst“ (KOD) – ist z.B. das Einschreiten gegen „Lagern oder Nächtigen auf öffentlichen Straßen“ sowie gegen „belästigendes oder aggressives Betteln“ oder auch die Kontrolle von StraßenmusikerInnen.

Gesäubertes Stadtbild
Mit anderen Worten: Alle, die nicht ins Bild der clean city Freiburg passen, die sich den Einkaufsbummel ökonomisch nicht leisten können, sollen konsequent aus der Innenstadt vertrieben werden.
So verwundert es auch nicht, dass die gerade einmal zweimonatige Ausbildung des neuen KOD auch eine Tourismusschulung durch die FWTM beinhaltete. Schließlich ist die Aufgabe des KOD ganz offenbar, drastisch ausgedrückt, die Herstellung eines von Randgruppen gesäuberten Stadtbilds für die nach Freiburg strömenden TouristInnen.

In dieses Bild passt auch die neue Anti-Graffiti-Linie der Stadtverwaltung. Die Freiburger Qualifizierungs- und Beschäftigungsgesellschaft, also meist zur sinnlosen Arbeit gezwungene Erwerbslose, sollen zukünftig neue Graffiti möglichst innerhalb einer Woche entfernen. Aber nicht nur das: Die Stadtverwaltung ruft auch Hausbesitzer explizit dazu auf, denunziatorisch aktiv zu werden und Anzeige wegen Sachbeschädigung zu stellen. Die, z.B. im Lokalverein Innenstadt organisierten, Wut-Bürger wird es freuen: Mit gutem Gewissen auf die Jagd gegen jedes abweichende Verhalten gehen.

Mit (fast) Nazijargon gegen Graffiti
Sind die gerade verwendeten Begriffe nicht etwas übertrieben? – Nein. So erklärt der erste Bürgermeister Neideck, man solle sich auf die „Gesunde Volksmeinung“ verlassen und nicht etwa auf das Institut für Kriminologie, wenn es um den Beleg der Behauptung geht, Graffiti würden nicht nur das Sicherheitsempfinden senken, sondern auch schwere Straftaten nach sich ziehen.
Wer statt auf die Empirie lieber auf die „Volksmeinung“ vertraut, betreibt nicht nur offenen Populismus, den man an Trump & Co. doch so gerne kritisiert, sondern bewegt sich auch gefährlich nah am Nazijargon vom „gesunden Volksempfinden“.
Wenn diese Sprache auch noch explizit im Zusammenhang mit dem Vorgehen gegen alternative Kultur und sozial ausgegrenzte Gruppen steht, dann muss einem Angst und Bange werden.

Keine Lobby gegen Ausgrenzung
In Österreich gibt es auch Nächtigungs- und Bettelverbote. Nur wissen in diesem Fall sehr viele, dass es sich um rechte Politik handelt. Bei uns in Freiburg scheint diese Erkenntnis noch zu fehlen und anders als in Österreich, wo es mit der Initiative „Bettellobby“ zumindest eine gewisse gesellschaftliche Unterstützung für bettelnde Menschen gibt, fehlt hier jede Empörung über die ausgrenzende Politik der Stadtverwaltung. Lautstark sind in Freiburg, auch durch die hysterische Lokalberichterstattung der Badischen Zeitung, nur diejenigen, die noch mehr Polizei und Ordnung fordern. Selbst wenn diese nicht die Mehrheit der Stadtgesellschaft repräsentieren mögen, haben sie es doch geschafft, den Raum des Sagbaren und damit auch die Politik gegen Randgruppen in Freiburg nach rechts zu rücken.