Schrottplatz oder Ehrenplatz? – Zur Verlegung des Siegesdenkmals an das Ende der Kaiser-Joseph-Straße

Nach der Gestaltung des Platzes der alten Synagoge ist nun die Neuplatzierung und -gestaltung des Siegesdenkmals das erinnerungspolitische heiße Eisen, an dem sich die Stadt einmal wieder gehörig die Finger verbrennt. Schon seit seine Umsiedlung im Zuge der Neugestaltung der Kreuzung am Ende der KaJo 2016 geplant wurde gibt es zahlreiche Ideen, wie mit dem geschichtsträchtigen Ungetüm aus Granit und Metall verfahren werden könnte. Ob es nun in einem Park oder Museum stehen solle, oder zu einem Mittelfinger umgestaltet werden könnte – eines war klar: Die Stadt wollte sich ungern von kritischen Stimmen hineinreden lassen, nicht einmal von der städtischen Kunstkommission. Für einen entschieden unentschiedenen und eher rustikalen Umgang mit Erinnerungskultur und Geschichtspolitik ist Freiburg schließlich auch bekannt.

Am 2.10.2017 gab Kulturbürgermeister Ulrich von Kirchbach der Wochenzeitung Der Sonntag ein Interview in dem er Freiburgs Erinnerungskultur verteidigte. Der studierte Jurist sah keinen Grund für Kritik und erklärte, dass beim Prozess der Umgestaltung des Platzes der alten Synagoge Stadt und die Architekten ständig von den Ereignissen überrumpelt worden seien – von dem „überraschenden“ Fund der Synagogenfundamente im November 2016, über die verfrühte Eröffnung des Platzes im August und die Zweckentfremdung des Brunnens, bis zur Unlesbarkeit der Gedenkplatte unter Wasser. (Wir berichten in der Ausgabe vom Oktober 2017)

Unerwartetes Überholmaneuver der Kausalitäten

„Plötzlich haben sich die Kausalitäten überholt“ erklärt Kirchbach. Ähnlich gestaltet sich Wiederaufrichtung des sogenannten Siegesdenkmals, eines Monuments, das wohlgemerkt den Sieg über unsere französischen Nachbarn im deutsch-französischen Krieg feiern soll. Dieser Plan wurde in den vergangenen zwei Jahren intensiv diskutiert und kritisiert – während die Stadt Fakten schuf. Die städtische Kunstkommission schrieb einen Wettbewerb aus, dessen Vorschläge nicht berücksichtigt wurden, der Abgeordnete Sergio Schmidt von der JPG-Fraktion setzte sich in einer Rede im Gemeinderat kritisch mit dem nationalistischen Charakter des Denkmals auseinander und wurde daraufhin von OB Salomon verspottet,  das Friedensforum nahm in einem Bericht von Radio Dreyeckland Stellung – Kirchbach scheint dabei immer noch ratlos darüber, wie man an diesem Ort mit der Geschichte umgehen könnte: „Wie soll man einen erläuternden Text formulieren, wenn grundlegenden Entscheidungen – beispielsweise zur Ausrichtung des Denkmals – noch gar nicht gefallen sind?“

Lästige Geschichte

Kirchbach gibt den Technokraten: Geschichtspolitik, so scheint es, ist für ihn nichts, was von Beginn an die Planung solcher Projekte maßgeblich beeinflusst, sondern ein lästiges Kästchen, in das man eben auf der To-Do-Liste der technischen Durchführung früher oder später sein Häkchen setzen muss. So wurde auch der Sockel des Denkmals wurde bereits betoniert, weil die Baustellensituation vor Ort wohl gerade günstig war. Die Ausrichtung der Victoriastatue in Richtung KaJo ist inzwischen auch beschlossen. Kein Wort verliert Kirchbach darüber, das Denkmal als Anlass zur Reflektion über die Grausamkeit und Sinnlosigkeit des Kriegs zu nutzen, um den Militarismus und die Kriegsverherrlichung der Gründerzeit kritisch zu betrachten und auf die Gefahren eines übersteigerten Nationalstolzes hinzuweisen, der im Fall des deutsch-französischen Krieges 1870-71, und bekannterweise auch schon zu anderen Zeiten, eliminatorische Züge annahm und zu unermesslichem Leid und sinnlosem Sterben führte. Doch ein solches Denkmal muss kritisch kommentiert werden und sollte als Bildungsort dienen – dafür und für nichts anderes sollte überhaupt in seine Erhaltung investiert werden.

Unzeitgemäße Ehrerbietung

Dass das Denkmal von seinem ehemaligen unscheinbaren Standort zwischen dem Bäumen hinter der Bushaltestelle am Friedrichring nun auf einen der prominentesten Plätze Freiburgs, am Ende der KaJo, der Hauptachse der Innenstadt, gestellt wird, stellt eine unzeitgemäße Ehrerbietung gegenüber diesem militaristischen, nationalistischen und anti-französischen Koloss dar, die in Freiburg genauso fehl am Platz ist wie anderswo auf der Welt. Und gerade da, wo man sich weltoffen und humanistisch gibt, sollte man auch Bereitschaft zeigen aus der Geschichte zu lernen und dieses Wissen weiterzugeben, anstatt uninspiriert und immun gegen jede Kritik eine Stadtplanung neowilhelminischen Stils durchzusetzen, wie es in Freiburg gerade passiert. Historismus statt Geschichtsbewusstsein scheint die Devise zu sein. Reichlich Platz zum Exerzieren gibt es auch.

Historismus statt Geschichtsbewusstsein

Auch wenn es immer wieder gelungene Beispiele für den Umgang mit historischen Denkmälern und Gebäuden gibt, hat es den Anschein, dass derzeit eine konservative Bewegung in der Geschichtspolitik im Kommen ist, die für die historisch getreue Restauration und Wiederherstellung gerade geschichtlich problematischer Bauwerke einsteht. Da wären als Beispiel zu nennen: die Initiative zum Wiederaufbau der Garnisonkirche in Potsdam, David Chipperfields Pläne zur Renovierung des Hauses der Kunst, einem Nazi-Bau, in München, „die im Wesentlichen darauf hinauslaufen, den Monumentalbau wieder in den Originalzustand zurückzuführen“, der Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses, den die taz-Autorin Esther Slevogt treffend mit „Neurose aus Beton“ betitelt. Gerne würde man diese Bestrebungen als nostalgische Spinnereien abtun. Doch die Tatsache, dass der Bund diese Projekte mit Geldern in dreistelliger Millionenhöhe bezuschusst, beweist, dass diese Projekte offenbar eine große Bedeutung für die offizielle Geschichtsdarstellung dieses Landes haben. Hier in Freiburg mögen die gern belächelten Nostalgie-Ultras von Freiburg Lebenswert diejenigen sein, die den Wunsch aussprechen, das Denkmal exakt wie 1876 „mit Zaun und Grün drum herum“ wieder aufzustellen – de facto kommt die jetzige Lösung dieser Version bedenklich nah.

Nationalismus etwas entgegensetzen

Eine solche Haltung ist gefährlich, nicht nur in der Stadtplanung – die Ignoranz gegenüber der Geschichte, die undemokratische Durchführung der Projekte, den Umgang mit kritischen Stimmen – und will so gar nicht zum Image der liberalen Schwarzwaldmetropole passen. Gerade in Zeiten des gesellschaftlichen Rechtsrucks und besonders vor dem Hintergrund, dass die AfD nun mit 94 Sitzen im Bundestag vertreten ist, sollte man allen Zeichen eines Nationalismus mit entschiedener Kritik begegnen, auch wenn sie aus längst vergangenen Zeiten stammen. Nur so kann man vermeiden, dass sich diese Zeiten wiederholen.

Aktuell läuft eine Petition, die die Umbenennung des Platzes am Siegesdenkmal in Friedensplatz fordert.

Im Radio Dreyeckland Bericht zu dieser Initiative gibt es auch ein Statement, das dies scharf kritisiert. Zugleich wird als alternativer Namen vorgeschlagen: Platz der deutschen Mörder