STADT-FÜR-ALLE-NACHRICHTEN (02 2017/03 2017)

Nun sind sie wieder da, die „Stadt für Alle“ Nachrichten aus Freiburg und der Welt. Wer nicht lesen will, kann sie hier bei RDL nachhören!

  • KRIMINALITÄTSFURCHT BEKÄMPFT MAN NICHT MIT VIDEOÜBERWACHUNG
  • UNSOZIALES DEUTSCHLAND
  • [FR] MEHR BEBAUUNG HEISST NICHT MEHR BEZAHLBARER WOHNRAUM
  • TEURES FREIBURG
  • SOZIALE FRAGE WOHNEN
  • HARTZ-IV-MIETOBERGRENZE NICHT VOM UMLAND ABHÄNGIG
  • [FR] KEIN TANZ IM BRUNNEN MEHR?
  • FLÜCHTLINGE ZU LANGE IN ERSTAUFNAHMELAGERN
  • LAGER FÜR ALLE?

KRIMINALITÄTSFURCHT BEKÄMPFT MAN NICHT MIT VIDEOÜBERWACHUNG,
sondern mit dem Ausbau sozialer Sicherung, erklärt der Freiburger Kriminologe Professor Roland Hefendehl im Interview mit Radio Dreyeckland. Zu den Plänen von Stadt und Polizei, mehr Kameras an den vermeintlichen Freiburger Gefahrengebieten Stühlinger Kirchplatz, Altstadt und Colombipark  zu installieren, erklärt er, dass es keinerlei empirischen Nachweis für Wirksamkeit von Videoüberwachung für die Verhinderung von Kriminalität gebe. Die Kriminalitätsfurcht sei nicht, wie von den Medien dargestellt, eine Reaktion auf Kriminalitätsgefahren, sondern Ausdruck  unterschwelliger Existenz- und Zukunftsängste, also sozialer Ängste. Die Kosten für die geplanten Kameras sollte man sparen, um das Geld in soziale Sicherungssysteme zu stecken.

UNSOZIALES DEUTSCHLAND
Durch den ständig geschrumpften Bestand an Sozialwohnungen belegt Deutschland in einer OECD-Studie zum Anteil an Sozialwohnungen den 18. Platz. 2015 waren gerade einmal 3,9% der Gesamtwohnstätten Sozialwohnungen. Die BRD liegt damit noch hinter Ländern wie den USA oder auch Ungarn. Beim Spitzenreiter, den Niederlanden, waren 2015 34,1% des Wohnungsbestandes Sozialwohnungen. Aber auch Länder wie Österreich mit 26,2% oder Frankreich mit 18,7% weisen deutlich höhere Quoten an Sozialwohnungen auf.

[FR] MEHR BEBAUUNG HEISST NICHT MEHR BEZAHLBARER WOHNRAUM
Lehrende der Fakultät für Umwelt und Natürliche Ressourcen an der Universität  Freiburg und verschiedene Naturschutzverbände wie der Badische Landesverein für Naturkunde und Naturschutz und der NABU haben sich mit einer Stellungnahme in der aktuellen Stadtentwicklungspolitik positioniert. Sie kritisieren, dass der von OB Salomon verkündete Neubau von Wohnungen kein Erfolg sei, wenn gleichzeitig die Zahl an Sozialwohnungen rückläufig ist.  Die Nichteinhaltung des Gemeinderatsbeschlusses, dass bei Bauprojekten 50% sozialer Wohnungsbau realisiert werden muss, sei falsch. Soziale  und intergenerationelle Gerechtigkeit sowie ökonomische und ökologische Nachhaltigkeit könnten nur  miteinander  erreicht werden. Im offenen Brief fordern die Initiatoren u.a. einen Stopp  weiterer  Gewerbeansiedlungen, ein Konzept, das dem steigenden Wohnflächenverbrauch pro Kopf entgegenwirkt und ein Werben von Stadtpolitik  und Verwaltung für  mehr  Fairness  auf  dem  Mietmarkt. Niemand sei gezwungen, die Not anderer opportunistisch auszunutzen.

TEURES FREIBURG
Freiburg wird immer teurer und die Immobilienbranche reibt sich die Hände. Der Umsatz der Branche lag 2016 in Freiburg bei 1,2 Milliarden Euro und damit 25% höher als 2015. Der Kaufpreis für neu errichtete Eigentumswohnungen stieg in Freiburg innerhalb von nur 5 Jahren um sage und schreibe 50,7%.  Die Mieten von Bestandswohnungen mit sogenanntem guten Wohnwert verteuerten sich in diesem Zeitraum laut Preisspiegel des Immobilienverbandes Deutschland (IVD) um 31,2 Prozent. Der Anstieg war damit deutlich drastischer als in anderen baden-württembergischen Städten. Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung errechnete für Wohnungssuchende in Freiburg im Jahr 2016 einen durchschnittlichen Mietpreis von 11,39 Euro pro qm. Freiburg liegt damit sogar noch vor einer Boomstadt wie Hamburg. Der Durchschnittspreis für erstmals vermietete Wohnungen in Freiburg wird zwischen 14,00 und 14,70 Euro pro qm angegeben.

SOZIALE FRAGE WOHNEN
Das Wohnen bleibt laut Statistischem Bundesamt der Bereich mit den höchsten Konsumausgaben. Mit durchschnittlich 859 Euro im Monat gaben die privaten Haushalte in Deutschland im Jahr 2015 rund 36 % ihrer Konsumbudgets für den Bereich Wohnen, Energie und Wohnungsinstandhaltung aus.  Einpersonenhaushalte mussten durchschnittlich sogar 41% (628 Euro) für diesen Bereich aufwenden.

HARTZ-IV-MIETOBERGRENZE NICHT VOM UMLAND ABHÄNGIG
In einem aktuellen Urteil hat das Landessozialgericht Celle festgelegt, dass es unzulässig ist, wenn sich Jobcenter an Mieten im Umland orientieren, um die angemessene und zu übernehmende Miete in einer Großstadt zu bestimmen. Dies führe zu unzulässig niedrigen Mietobergrenzen in einer Großstadt. Im vorliegenden Fall sollte für die Bestimmung der zu übernehmenden Miete in Göttingen, das Mietniveau des Umlandes miteinfließen und die Betroffenen sollten so zur Senkung ihrer Mietkosten gezwungen werden. Das Urteil könnte auch eine Warnung für Freiburg sein. Hartz-IV-Mietobergrenzen müssen sich an den tatsächlich für Hartz-IV-BezieherInnen verfügbaren Wohnungsangeboten orientieren.

[FR] KEIN TANZ IM BRUNNEN MEHR?
Durch Knappheit an Fahrradabstellplätzen rund um die Universität ist die Stadt auf der Suche nach neuen Plätzen und hat den stillgelegten Brunnen nahe der Mensa in der Rempartstraße in den Blick genommen. Dort treffen sich seit Jahren selbstorganisiert und ohne kommerziellen Hintergrund verschiedene Tango- und Forró-Tanzgruppen und sorgen für südliches Flair. Zusätzlich bettet sich der Brunnen in die historische Vaubanfestungsanlage ein. Der Mangel an Fahrradabstellplätzen in dieser Umgebung ist u.a. Ergebnis der laufenden Betonwüstengestaltung des Platzes der Alten Synagoge, für die nicht nur Reste der alten Synagoge gegen den Willen der jüdischen Gemeinde beseitigt wurden, sondern auch zahlreiche Fahrradstellplätze weichen mussten. Die Tanzgruppen haben eine Petition zum Erhalt des Tanz-Freiraums gestartet.

FLÜCHTLINGE ZU LANGE IN ERSTAUFNAHMELAGERN
Baden-Württemberg begeht, wie auch einige andere Bundesländer, massiven Rechtsbruch auf Kosten von Geflüchteten. Zum 31. Januar waren hier 1691 Flüchtlinge zu lange in Erstaufnahmeeinrichtungen. Kaum war die Unterbringung in ausgrenzenden Erstaufnahmeeinrichtungen eingeführt, wurde deren Dauer durch eine weitere Asylrechtsänderung von drei auf sechs Monate ausgeweitet. Flüchtlinge aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten müssen sogar bis zum Abschluss ihres Verfahrens in den Einrichtungen bleiben. Doch selbst gegen diese flüchtlingsfeindlichen Regelungen verstößt die grün- schwarze Landesregierung noch. Die Betroffenen dürfen in den Lagern z.B. nicht selber kochen, bekommen bervormundende Sach- statt Geldleistungen und werden bei jedem Ein- und Ausgang ins Lager von Securities überwacht.

LAGER FÜR ALLE?
Ab Ende März soll die Freiburger Stadthalle teilweise als Notunterkunft für Wohnungslose genutzt werden. Zuletzt hatte sie als städtische Notunterkunft für Flüchtlinge gedient. Eigentlich sollten die Betroffenen nur kurz dort bleiben. De facto waren viele Flüchtlinge aber bis zu 9 Monate in der Halle mit provisorischen Trennwänden untergebracht. Neben der Nutzung als Obdachlosenunterkunft soll der Hauptteil weiterhin als Flüchtlingsunterkunft vorgehalten werden. Mal wieder zeigt sich: Was an Flüchtlingen an schlechter Behandlung ausprobiert wird und ohne größeren Widerspruch bleibt, kommt letztlich auch auf andere ausgegrenzte Gruppen der Gesellschaft zu. Lager, Bevormundung und Überwachung für alle statt Leben mit angemessener Privatsphäre in bezahlbaren Wohnungen.