Stadt-für-Alle-Nachrichten (Rückblick vom 15. September bis 15. Oktober)

Nun sind sie wieder da, die „Stadt für Alle“ Nachrichten aus Freiburg und der Welt. Wer nicht lesen will, kann sie hier bei RDL nachhören.

[FR] KIRCHPLATZ NICHT BESONDERS GEFÄHRLICH
Die städtische Antwort auf eine Anfrage der JUPI-Fraktion zeigt erneut, dass die Erzählung vom ach so gefährlichen Stühlinger Kirchplatz medial aufgeblasen ist und kaum die Realität widerspiegelt. Selbst die polizeiliche Kriminalstatistik, die lediglich Verdachtsfälle wiedergibt und stark davon abhängig ist, wo die Polizei meint gerade besonders hingucken zu müssen, führt trotz der dort starken Polizeipräsenz für den Kirchplatz „nur“ 18 Gewaltdelikte im Jahr 2018 auf, eine Steigerung von zwei Delikten im Vergleich zu 2015. Zwar steigen die Zahlen zur Rauschgiftkriminalität etwas an, diese wäre aber bei einer Entkriminalisierung von Marihuana kaum vorhanden und birgt vor allem für unbeteiligte Dritte keine Gefahr. Eine Rechtfertigung für die stets mit racial profiling verbundenen Großkontrollen der Polizei gibt es nicht.

[FR] KOMMUNALER VOLLZUGSDIENST GEGEN LACHEN AM LEDERLEPLATZ
Die meisten Einsatzstunden des Kommunalen Vollzugdienstes, der u.a. dank der law-and-order-SPD aufgestockt wurde, fielen in diesem Sommer am Lederleplatz im Stühlinger an. Das erklärte der Leiter des KVD bei einer öffentlichen Diskussionsveranstaltung im Egon 54. Grund dafür ist ganz offenbar die Beschwerdelage, die sogar schon vor der Eröffnung des ersten Freiburger Spätkaufs in Gang gesetzt wurde. Eine kleine Gruppe Anwohner*innen betrieb in Kooperation mit dem Bürgerverein offenbar regelrechten Telefonterror beim Amt für öffentliche Ordnung, um Personen, die auf dem schönen Platz abends ihr Bier trinken oder sich einfach nur unterhalten wollen, vertreiben zu lassen. Und, so KVD-Leiter Oßwald, die meisten würden sich einfach nur normal unterhalten, wenn aber jemand mal einen Witz erzähle und dann zehn Personen lachten, ergebe dies einfach eine unglaubliche Lärmspitze. Lachende Menschen können bei einem leichten Schlaf sicher stören, wer aber nicht einmal Lachen aushält, sollte sich vielleicht fragen, ob ein innerstädtischer Platz die richtige Wohnlage ist.

[FR] ANWOHNERINNENVEREIN STÜHLINGER GEGRÜNDET
Offenbar in Ablehnung der Positionen des Bürgervereins Stühlinger und um zu zeigen, dass dieser keinesfalls den ganzen Stühlinger repräsentiert, hat sich der Anwohner*innenverein Stühlinger gegründet. Er kritisiert die Polizeieinsätze am Stühlinger Kirchplatz und am Lederleplatz. „Polizeieinsätze wie diese werden häufig mit dem „Sicherheitsbedürfnis“ der An- oder Einwohner*innen begründet. Wir sind jedoch eine Gruppe Anwohner*innen, die dieses Polizeiaufgebot für völlig ungeeignet hält, dafür zu sorgen, dass Menschen sich sicherer fühlen oder die Stadt tatsächlich sicherer wird. Im Gegenteil: Viele haben einfach weniger Lust sich dort aufzuhalten.“

MIETEN FÜR HARTZ-IV-BEZIEHERINNEN ZU HOCH
Viele Hartz-IV-Bezieher*innen müssen die Wohnkosten teilweise selber tragen. Das ergab eine Antwort der Bundesregierung auf eine Linksparteianfrage. 2018 zahlten die Kommunen bei 19,2% der Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaften nicht die volle Miete. In diesen Fällen lag die Miete also meist über den jeweiligen „angemessenen Kosten der Unterkunft“. Blöd nur, dass es für Hartz-IV-Bezieher*innen meist fast unmöglich ist, eine „angemessen“ teure Wohnung zu finden. Besonders Alleinerziehende und Familien mit Kind sind betroffen. Betroffene Familien steuerten aus dem mickrigen Hartz-IV-Satz durchschnittlich 1137 € jährlich zur Miete dazu. In Baden-Württemberg waren 23,1 % aller Hartz-IV-Bezieher*innen betroffen.

MIETERINNEN GEWINNEN ERSTE MUSTERFESTSTELLUNGSKLAGE
In München hat ein Mieterverein erfolgreich eine Musterfeststellungsklage gegen eine drastische Mieterhöhung für rund 130 Mieter*innen geführt. Das Immobilienunternehmen hatte versucht noch schnell das alte Modernisierungsrecht zu nutzen, um den Mieter*innen hohe Kosten aufzubürden. Die Ankündigung der Modernisierung und die tatsächliche Durchführung der Maßnahme lägen aber nach Ansicht des Gerichts zu weit auseinander. Statt 5-13€ Mieterhöhung pro qm darf das Unternehmen die Miete nach Modernisierung um höchstens 3 € pro qm erhöhen. Das Urteil war die erste Musterfeststellungsklage im deutschen Mietrecht. Seit November 2018 ist es möglich, dass ein Verband stellvertretend für viele Mieter*innen klagt.

ANKERZENTREN MACHEN KRANK!
Die Hilfsorganisation Ärzte der Welt zieht sich aus dem Ankerzentrum, der Bayerischen Version der Erstaufnahmelager für Flüchtlinge, in Manching/ Ingolstadt zurück. „Die krankmachenden Lebensbedingungen in der Anker-Einrichtung Manching/Ingolstadt verhindern eine erfolgreiche Behandlung. Ärzte der Welt kann unter diesen Bedingungen die Verantwortung für die Verfassung von schwer psychisch kranken Patient*innen und deren Medikamenteneinnahme nicht tragen“. Die Mediziner*innen kritisieren den unzureichenden Schutz vor Übergriffen, fehlende Privatsphäre, nächtliche Ruhestörungen, unsichere Zukunftsperspektiven und mangelnde Kontrolle über das eigene Leben der Menschen. Selbst die Mindeststandards des Bundesfamilienministeriums für die Unterbringung von Flüchtlingen würden nicht eingehalten. Die krankmachende Struktur der Einrichtung bleibe bestehen.