Gefährliches Pflaster? Die Kriminalitätsbelastung Freiburgs

Gefährliches Pflaster? Die Kriminalitätsbelastung Freiburgs

Demonstration gegen die Polizeigesetze in Freiburg (Foto: Privat)

Freiburg ist die Kriminalitätshochburg Baden-Württembergs. Das liest man Jahr für Jahr in der Regionalpresse, wenn die neue Kriminalstatistik vorgestellt wird, die die von der Polizei ermittelten Tatverdachtsfälle dokumentiert. Daher gelte es, so Innenministerium und Stadtverwaltung, ein besonderes Augenmerk auf die „Sicherheitslage“ in der Stadt zu legen und mit einem Bündel an Maßnahmen gegen die hohe Kriminalitätsbelastung anzukämpfen. Aber wie steht es wirklich um die Kriminalitätsbelastung Freiburgs?

Gefährliches Pflaster? Die Kriminalitätsbelastung Freiburgs

Häufigkeitsziffern Baden Württemberg (eigene Darstellung)

Tatsächlich konnte Freiburg im Vergleich zu anderen baden-württembergischen Städten in den vergangenen Jahren regelmäßig die höchste sog. Häufigkeitsziffer vorweisen. Hier wurden also die meisten Straftaten im Verhältnis zur Einwohner*innenzahl registriert (11.127 Fälle pro 100.000 Einwohner*innen im Jahr 2018).
Wenn wir aber einen Blick darauf werfen, an welchen Deliktsbereichen das liegt, relativiert sich das Bild schnell wieder: Weit vorne liegt Freiburg vor allem bei den Rauschgiftdelikten: 972 Fälle pro 100.000 Einwohner*innen sind auch im bundesweiten Vergleich überdurchschnittlich.
Ausgerechnet die Rauschgiftdelikte sind jedoch solche, mit denen eine Ausweitung polizeilicher Maßnahmen im öffentlichen Raum nur schwer legitimiert werden kann. Denn bei diesen Delikten handelt es sich um sogenannte opferlose Straftaten, die keinerlei Auswirkungen auf die „Sicherheit“ im öffentlichen Raum haben. Zwar gefährden sich Konsument*innen selbst, aber das allein ist für die „Sicherheit“ der restlichen Bürger*innen irrelevant. Zudem gehören die Betäubungsmitteldelikte zur Kontrollkriminalität. Sie werden also nur sehr selten von Bürger*innen angezeigt und vor allem durch polizeiliche Kontrollen aufgedeckt. Dass Freiburg gerade in diesem Bereich weit vorne liegt, ist lediglich ein Arbeitsnachweis der Freiburger Polizei, die hier besonders viel kontrolliert hat.

Gefährliches Pflaster? Die Kriminalitätsbelastung Freiburgs

Häufigkeitsziffern bundesweit Straßenkriminalitaet (eigene Darstellung)

Sobald wir den Blick auf Delikte lenken, die tatsächlich Auswirkungen auf die Sicherheit im öffentlichen Raum haben, ändert sich das Bild schlagartig: Bei der sogenannten Straßenkriminalität, einer Zusammenfassung von verschiedenen Delikten, die im öffentlichen Raum begangen werden (Gewaltkriminalität, Taschendiebstahl etc.), ist Freiburg nicht stärker kriminalitätsbelastet als viele andere Städte vergleichbarer Größenordnung auch. Hier liegt Freiburg mit 1.937 Verdachtsfällen pro 100.000 Einwohner*innen (2018) im bundesweiten Vergleich auf Platz 33 nach Häufigkeitsziffern – und damit deutlich hinter Mannheim.

Freiburg hat also kein gesteigertes Problem mit Kriminalität im öffentlichen Raum. Das gilt auch und gerade für Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die in Freiburg und andernorts häufig für eine Ausweitung polizeilicher Maßnahmen herhalten müssen. Diese Straftaten werden ganz überwiegend im sozialen Nahbereich begangen, was in besonderer Weise dann gilt, wenn man das Dunkelfeld in die Betrachtung miteinbezieht. Dabei steht außer Frage, dass sexualisierte Gewalt ein gesellschaftliches (und insbesondere männliches) Problem ist. Es hat jedoch mit der Sicherheit im öffentlichen Raum nur begrenzt zu tun und kann daher nicht durch Videoüberwachung oder verstärkte Polizeipräsenz – als zwei zentrale Maßnahmen der sog. Sicherheitspartnerschaft (SIPA) von Stadt und Land – gelöst werden.

Vergleicht man die Kriminalitätsbelastung Freiburgs mit derjenigen der Umlandgemeinden, so wird zwar durchaus ein Stadt-Land-Gefälle deutlich. Auch hier haben wir es jedoch nicht mit einer Freiburger Besonderheit zu tun. Vielmehr zeigen kriminalgeographische Regionalanalysen, dass es in sämtlichen Städten mit Zentrumsfunktion zu einem Import von Kriminalität und entsprechenden Tatverdächtigen aus dem Umland kommt. Denn Städte bieten Gelegenheitsstrukturen für die Tatbegehung, die in kleineren Gemeinden nicht in dem Ausmaß vorhanden sind. So bieten etwa Shoppingmeilen mit vielen Läden naturgemäß eine Gelegenheitsstruktur für Ladendiebstähle. Innenministerium, Stadtverwaltung und Polizei täten daher gut daran, etwas mehr Gelassenheit walten zu lassen.

Sie sollten erstens zur Kenntnis nehmen, dass Kriminalität ein normales Phänomen ist, das in der räumlichen Betrachtung mit Urbanität einhergeht. Freiburg ist eine wachsende Großstadt, was sich notwendigerweise auch auf die Kriminalitätsbelastung auswirkt. Zweitens ist Kriminalität ein weiter Oberbegriff, unter den verschiedenste Phänomene zusammengefasst werden. Es bedürfte einer – hier nur angedeuteten – Differenzierung nach Deliktsbereichen, um sachgerecht mit kriminalitätsbezogenen Problemen umgehen zu können. Die SIPA vermag einen solchen adäquaten Umgang nicht zu leisten.

Jakob Bach

Dieser Beitrag ist in der Zeitung „Gefährliches Pflaster“ – Zeitung zur Sicherheitskritik erschienen.