Stadt-für-Alle-Nachrichten (Rückblick 15. Juni bis 15. Juli 2021)

Stadt-für-Alle-Nachrichten (Rückblick 15. Juni bis 15. Juli 2021)Nun sind sie wieder da, die „Stadt für Alle“ Nachrichten aus Freiburg und der Welt. Wer nicht lesen will, kann sie hier bei RDL nachhören.

[FR] VERNICHTUNG VON MIETWOHNUNGEN
In Freiburg fehlen nach Berechnungen der Hans-Böckler-Stiftung rund 20.000 Wohnungen im unteren Preissegment. Trotzdem hat der Aufsichtsrat der Freiburger Stadtbau im November 2020 die Umwandlung von 120 Miet- in Eigentumswohnungen in der Sulzburger Straße 15-19 in Weingarten beschlossen. Mit den betroffenen Mieter*innen hatte aus dem Aufsichtsrat niemand gesprochen. Nachdem selbst der Sanierungsbeirat in Weingarten übergangen wurde, soll nun wohl im November doch noch einmal über die geplante Vernichtung von Mietwohnungen debattiert werden. Auf dem Weingartner Wochenmarkt war die Mehrheit bei einer Befragung gegen die Privatisierung von FSB-Wohnungen.

IMMER WENIGER BEZAHLBARE WOHNUNGEN
»49,2 Prozent der rund 8,4 Millionen Haushalte, die in Deutschlands Großstädten zur Miete wohnen, müssen mehr als 30 Prozent ihres Nettoeinkommens ausgeben, um ihre Miete (bruttowarm) zu bezahlen. Das sind mehr als 4,1 Millionen Haushalte mit ca. 6,5 Millionen Menschen. Knapp 12 Prozent bzw. etwa eine Million Haushalte müssen sogar mehr als die Hälfte des Einkommens für die Miete zahlen. In den Mietpreisklassen bis zehn Euro je Quadratmeter (warm) – das entspricht Nettokaltmietpreisen von unter 7,35 € je Quadratmeter – reduzierte sich das Versorgungsangebot zwischen 2006 und 2018 um mehr als 500.000 Wohnungen. Das entspricht einem Rückgang von über 30 %. Diese Zahlen stammen aus einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung. Um der Problematik zu begegnen, empfiehlt sie: »Neben mietrechtlichen Instrumenten zum Schutz der bestehenden Mietpreise und dem Ausbau von Belegungsbindungen für Haushalte mit geringen Einkommen sollte der soziale und gemeinnützige Wohnungsbau mit möglichst dauerhaften Mietbindungen erheblich gestärkt werden. Ein weiterer entscheidender Schlüssel zu einer sozialen Wohnversorgung sei jedoch die Einkommenssituation der Mieter*innen. Ohne wirksame Maßnahmen zur Auflösung des weit verbreiteten Niedriglohnsektors sei eine soziale Wohnversorgung in den Großstädten nicht zu gewährleisten.

[FR] NAZIS IM NS-DOKUZENTRUM?
Die Landeszentrale für politische Bildung in Freiburg hat eine Online-Diskussion zur Bundestagswahl abgesagt. Grund: Der Freiburger AfD-Kandidat Marco Näger hatte sich vor dem Stuttgarter Verwaltungsgericht per Eilantrag erfolgreich den Zugang zur Debatte erstritten. Die Leitsätze der LpB aber sehen vor, dass Parteien und Parteiorganisationen, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden, bei Veranstaltungen grundsätzlich nicht berücksichtigt werden. Marco Näger soll zugleich Kreisvorsitzender der vom VS Baden-Württemberg beobachteten AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“ sein. Hat die Gerichtsentscheidung Bestand, würde das auch bedeuten, dass selbst AfDler der JA zu Gast im neuen Freiburger NS-Dokumentationszentrum wären, wenn die LpB dabei ist. Für Nachkommen von NS-Opfern dürfte das schwer erträglich sein.

[FR] KLAGE GEGEN GLASFLASCHENVERBOT
Die JUPI-Fraktion aus dem Freiburger Gemeinderat hat Klage gegen das Glasflaschenverbot am Platz der alten Synagoge eingereicht. Nach nächtlichen „Ausschreitungen“ wurde es an Freitag- und Samstagabenden ab 20 Uhr verboten, am Platz Glasflaschen mitzunehmen. Die JUPI-Fraktion sieht Verlagerungseffekte, hält die Maßnahme für unverhältnismäßig und kritisiert die repressive Linie gegen junge Menschen auf öffentlichen Plätzen:
„Es braucht in Freiburg einfach Orte, wo ungezwungenes Feiern auf öffentlichen Plätzen möglich ist.“

[FR] BRUTALE FESTNAHME
In der Nacht vom 19. auf den 20. Juni am Platz der alten Synagoge, als die Stimmung kippte, bekam ein 24-jähriger erst Flaschenwürfe ab, um direkt im Anschluss von der Polizei unvermittelt brutal festgenommen zu werden. Bei Radio Dreyeckland schildert er die Festnahme. Mehrere Polizisten saßen demnach auf ihm. Schon gefesselt habe er noch Pfefferspray und einen Fußtritt ins Gesicht abbekommen. Selbst im Polizeiauto habe man ihm noch zweimal ins Gesicht geschlagen.

KEINE GRUNDRECHTE IN DER LEA
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat den Eilantrag gegen die Hausordnung der Freiburger Landeserstaufnahmestelle für Flüchtlinge zurückgewiesen, die so auch in vielen anderen Flüchtlingslagern gilt. Geklagt hatten Flüchtlinge aus Ghana und dem Senegal, unterstützt u.a. von Pro Asyl, der Gesellschaft für Freiheitsrechte und Aktion Bleiberecht. Der Eilantrag richtete sich gegen Regelungen über die Nicht-Verschließbarkeit der Zimmer, die nicht existente Besuchsberechtigung, verbotene Gegenstände, das Verbot der Ausübung politischer, missionarischer und ähnlicher Tätigkeiten und die Durchführung von Zutritts- und Zimmerkontrollen. Das Gericht entschied, dass die Eingriffe in die Privatsphäre nicht deutlich „die von dem Antragsgegner verfolgten, den Schutz aller Bewohner und die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Einrichtung bezweckenden Interessen“ überwögen. Die Funktionsfähigkeit von Lagern scheint für das Gericht deutlich wichtiger zu sein als die Grundrechte der Flüchtlinge. Lager abschaffen!