Die Verrohung der Gesellschaft schreitet gerade massiv voran. Sie richtet sich gegen die am stärksten Benachteiligten der Gesellschaft, gegen Geflüchtete und Bürgergeldbezieher:innen. Sie kommt nicht (nur) von der AfD, sondern auch von der sogenannten bürgerlichen Mitte. Friedrich Merz ist hierbei eine der hässlichen Symbolfiguren. Er verbreitet nicht nur Fakenews über Geflüchtete, sondern auch über das Bürgergeld, in dem er so tut, als würden Bürgergeldbezieher:innen mehr Geld bekommen als Menschen mit einer Lohnarbeit.
Aber auch die Ampel-Regierung reiht sich ein und hat bereits eine Nullrunde beim Bürgergeld für 2025 angekündigt. Zukünftig soll für eine über sechsstündige Arbeitszeit ein völlig wahnsinniger Pendelweg von drei Stunden Hin- und Rückfahrt zumutbar sein und das, wo gleichzeitig verkündet wird, dass der Preis für das Deutschlandticket auf 58 Euro erhöht wird. Die Möglichkeit, das Bürgergeld für drei Monate um 30 Prozent zu kürzen, soll ausgeweitet werden. Dieser Plan verstößt offensichtlich gegen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das Kürzungen unter das Existenzminimum verbietet.
Ein Zusammenschluss aus acht Wohlfahrts- und Sozialverbänden, Gewerkschaften und Erwerbslosengruppen, darunter der DGB, die AWO, der Paritätische Wohlfahrtsverband und die Diakonie, fordert eine kurzfristige Reform der Bürgergeld-Anpassung für 2025. Ansonsten drohe Bürgergeldberechtigten ein weiterer Kaufkraftverlust, mit dem sich die Armut von Millionen Erwachsenen und Kindern weiter verschärfen würde. Anders als oft behauptet sei das Bürgergeld auch in den vergangenen zwei Jahren nicht zu großzügig erhöht worden, so die Verfasser des Appells. Im Gegenteil: Aktuelle Analysen zeigen, dass Bürgergeldberechtigte 2021-2023 erhebliche Kaufkraftverluste erlitten haben. Bei einer alleinstehenden Person summieren sich diese Verluste auf bis zu 1.012 Euro. Erst mit der Anpassung 2024 habe es eine Trendwende gegeben, wobei die aufgelaufenen Verluste nur zu einem kleinen Teil kompensiert würden.
„Das Bürgergeld reicht schon heute nicht aus, um eine gesunde Ernährung, Mobilität und soziale Teilhabe finanzieren zu können. Die Regelsätze bestimmen die Lebensumstände von über sieben Millionen Menschen, die mit steigenden Kosten kämpfen, maßgeblich mit. Eine Nullrunde darf es deshalb nicht geben, sie widerspräche auch Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts“, erklärt Joachim Rock vom Paritätischen. „Wir brauchen mehr Bezahlung nach Tarif, einen höheren Mindestlohn und beim Bürgergeld auch in Zukunft mindestens einen Inflationsausgleich“ sagt Anja Piel vom DGB.
Es wird nach unten getreten
Armutsforscher Christoph Butterwegge fasste die aktuellen Pläne gegenüber der Augsburger Allgemeinen treffend zusammen: „Man saniert den Bundeshaushalt auf Kosten der Ärmsten in unserer Gesellschaft und vergeht sich aus Spargründen an ihnen.“ Er kritisiert auch das Nach-unten-Treten. „Entsolidarisierungstendenzen haben in unserer Gesellschaft einen weiteren Höhepunkt erreicht. (…) Wenn man den Sozialneid nach unten kultiviert, hat das für manche Menschen eine Entlastungsfunktion. Angehörige der unteren Mittelschicht blicken auf jene herab, denen es noch schlechter geht, fühlen sich deshalb besser und können sich bewusst von dieser Gruppe abgrenzen.“ Hingegen stellt er fest, dass es kaum für Empörung sorge, dass „die Konzernerbin und reichste Frau Deutschlands, Susanne Klatten, ihr Milliarden-Vermögen an ihre Kinder verschenkt und dabei die Erbschaftsteuer umgeht. Auch von „Sozialausgaben“ profitieren in unserer ungleichen Gesellschaft die Besserverdienenden deutlich mehr. Butterwege setzt das Kindergeld, das zum 1. Januar 2025 um 5 Euro auf 255 Euro steigen soll, ins Verhältnis zum Kinderfreibetrag. Aus diesem resultiert eine Steuerersparnis für Spitzenverdiener:innen von 377,43 Euro. „Chefärzte bekommen also für jedes Kind in diesem Jahr 127,43 Euro monatlich mehr als Krankenschwestern, und im nächsten Jahr sind es immer noch 124,80 Euro.“ Klassenkampf von oben ist schon lange bittere Realität. Statt auf Geflüchtete und Bürgergeldbezieher:innen zu treten, wäre es höchste Zeit für Klassenkampf von unten!