April, April: 10 Jahre Bürgerentscheid

Am 1. April 2006 verkündete die Stadt, dass sie die Freiburger Stadtbau (FSB) verkaufen wolle. Entgegen der Hoffnung, es handle sich um einen schlechten Aprilscherz, entpuppte sich die Meldung als ernst gemeint. Grün-Schwarz und Freie Wähler wollten eine der zentralen sozialen Infrastrukturen der Kommune zu Geld machen und das Grundbedürfnis und Menschenrecht Wohnen verkaufen.

„Das Ja zum Erhalt der Freiburger Stadtbau heißt auch ein Ja zum sozialen Auftrag.“
Die Neoliberalen in Rathaus, Gesellschaft und Medien konnten nur durch einen von der BürgerInnen-Initiative „Wohnen ist Menschenrecht“ angestoßenen BürgerInnenentscheid gestoppt werden. Am 12. November 2006 stimmten 70,5% der FreiburgerInnen für den Erhalt der Wohnungen im städtischen Besitz.
Die Verhinderung des Verkaufs hatte bundesweit eine Signalwirkung gegen die Privatisierung von öffentlichen Gütern, insbesondere kommunalen Wohnungen. Mit der Diskussion ging die Hoffnung einher, der Stadt bleibe mit der FSB ein „sozialpolitisches Steuerungsinstrument“ erhalten, das gerade für jene, die sich nicht am Markt mit Wohnraum versorgen können, unerlässlich ist.

„Sozialpolitisches Steuerungsinstrument“
Seitdem wird jedoch von der Stadt gesteuert, was das Zeug hält: Eine Mieterhöhungswelle nach der anderen steht auf der Tagesordnung. Ihre Politik der „Heranführung“ der Stadtbauwohnungen an den Mietspiegel gemäß Gemeinderatsbeschluss – welche die Mieten auf ihrem sogenannten „freien Markt“ munter weiter in die Höhe treibt – macht die FSB geradezu zum Motor neoliberal-kapitalistischer Verdrängungspolitik und lässt keine Fragen darüber offen, was hier unter „sozialem Auftrag“ verstanden wird: Marktmieten!

FSB saniert städtischen Haushalt anstatt Wohnungen – Solidarprinzip mal anders!
Nach dem ablehnenden Bürgerentscheid war für 3 Jahre kein Verkauf möglich, doch die Stadt machte sich das auf ihre Art zunutze. So erfüllt die FSB seither eine neue Funktion, indem sie zu einer Art „Schweizer Taschenmesser“ für Finanzprobleme der Stadt geworden ist. Mit den Mieteinnahmen der FSB werden nämlich immer wieder Finanzlücken im städtischen Haushalt überbrückt und gestopft.

Wenn die FSB Investitionsprojekte der Stadt übernimmt, bedeutet das, mit den Mieten der FSB-(Sozial)-MieterInnen allgemeine Aufgaben der Stadt zu finanzieren (verdeckte Sondersteuer). Solidarprinzip mal anders! Diese Umverteilung von unten nach oben geht vollkommen am Sozialauftrag der FSB (oder dem, was davon noch übrig geblieben ist) vorbei.
Beispiele sind unter anderem Grundstücksverkäufe von der Stadt an die FSB, wenn es mal wieder Geld in der Stadtkasse braucht. Oder Bauten wie das Kunstdepot (über 6 Mio. €), das Prestigeprojekt „Green-City-Hotel“, das die FSB gebaut hat und mit betreibt (15,5 Mio. €) oder das Bauträgergeschäft, das die MieterInnen der FSB für die reiche Mittelschicht finanzieren. Prominente Beispiele sind die Johann-Sebastian-Bach-Str. und die zum Großteil seit zwei Jahren leerstenden neuen Reihenhäuser in Günterstal (12 Mio. €). Die Kosten für den Leerstand belaufen sich auf 300.000€/Jahr, welche wiederum die MieterInnen der FSB zahlen.

Späte Rache am Forum Weingarten
10 Jahre nach dem BürgerInnenentscheid lässt sich trotz Nebelkerzen wie 50%-Quote oder „Handlungsprogramm Wohnen“ feststellen, dass sich die Wohnungspolitik nicht grundlegend geändert hat. Nicht nur ein „böser Investor“, auch die Stadt kann verdrängen, Wohnraum verwerten und rausholen, was Markt und Gesetze hergeben.
Und die Stadt kann auch nachtreten: Gerade das Forum Weingarten war es, das die BürgerInnen ermutigte und ermächtigte, gegen den Verkauf sich einzumischen, da ihm die soziale Bedeutung von bezahlbaren Wohnung bewusst war und ist. Aus dem überwältigenden JA (70,5%) beim BügerInnenentscheid zu einer sozialen FSB leitete das Forum einen weiterhin konsequenten Kurs ab – und wurde dafür nun mundtot gemacht. Es lebe die  „Demokratie“ der Freiburger Stadtverwaltung!