Verachtung der Armen

Im Kontext der „Eurokrise“ gibt es seit Jahren eine Kampagne Armut wegzudefinieren, denn die Legitimation des „besten aller Gesellschaftssysteme“ (Kapitalismus) hat die letzten Jahre gelitten. Die breite Verarmung, die nun auch in ganz Europa unübersehbar ist, passt nicht zur Erzählung, dass Wohlstand für Alle im Kapitalismus möglich sei.

“Je besser es dem Standort Deutschland geht, desto mehr wächst die Armut“
So wird versucht, jüngst wieder bei der Vorstellung des Armutsberichtes des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, den „relativen Armutsbegriff“ in Frage zu stellen und abzuschaffen. So müsste mensch nicht mehr über das lästige Thema Armut reden: „Denn wer dem Paritätischen Wohlfahrtsverband seine Botschaft einfach so abkauft, den kann schnell die Wut packen – auf ein System, das die eigenen Bürger angeblich in Armut vegetieren lässt“, heißt es im „Spiegel“. Und weiter: Wer über Armut rede, betreibe das Geschäft der Rechtsradikalen, da er Ressentiments schüre und die Menschen in die Hände der Rechtsradikalen von AfD und Co. treibe!
Wow! Also nicht Armut, Ausgrenzung, Ausbeutung und Kapitalismus sind das Problem, sondern diejenigen, die Auswirkungen dieses Systems zum Thema machen.

Miteinander gegen die herrschende Verhältnisse!
„Wenn Behörden und Politik heute Erwerbslose und demnächst auch immer mehr Geflüchtete ohne großes Aufsehen disziplinieren können, so ist das nur möglich, weil unsere Gesellschaft es tief verinnerlicht hat, Arme zu verachten und sie für ihr Schicksal selbst verantwortlich zu machen“ so Sebastian Dörfler und Julia Fritsche.
Mit dem „Integrationsgesetz“ und dem Hartz IV „Rechtsvereinfachungsgesetz“ (besser Entrechtungsgesetz) sind gerade wieder zwei Gesetzespakete vor der Verabschiedung, die die Grundidee und die Menschenverachtung der AGENDA 2010 intensivieren und auf mehr Menschen ausdehnen sollen: verwalten, sanktionieren, disziplinieren, entrechten und entwürdigen! So soll z.B. mit 100.000 1€-Jobs für Flüchtlinge der Niedriglohnsektor ausgeweitet und der Standort Deutschland „wettbewerbsfähiger“ werden, d.h. das allgemeine Lohnniveau sinken.

Während Unterkünfte von AsylbewerberInnen brennen und Menschen an den EU-Außengrenzen sterben, bringt es Wilhelm Heitmeyer so auf den Punkt: „Es geht offenkundig darum, eigene soziale Privilegien durch die Abwertung und Desintegration von als „nutzlos“ etikettierten Menschen zu sichern oder auszubauen.(…) Die geballte Wucht, mit der Eliten einen rabiaten Klassenkampf von oben inszenieren, und die rohe Bürgerlichkeit, die sich selbst in der Opferrolle wähnt und deshalb schwache Gruppen abwertet, zeigt, dass eine gewaltförmige Desintegration auch in dieser Gesellschaft nicht unwahrscheinlich ist.“

Chancen verteilen, Geld behalten!
Wenn es denn doch ein bisschen „gerechter“ zugehen soll, dann kommen sie immer wieder mit der Chancengerechtigkeit. Doch bei der Chancengerechtigkeit ist es wie beim Lotto: Alle, die mitspielen, haben eine Chance auf die Million aus dem Jackpot, aber eben nicht jede/r kann sie bekommen. Was ist mit denen, die im Spiel „Jede/r ist seines Glückes Schmied“, eben kein Glück haben und ihre „Chance“ nicht nutzen können? Da hört die Chancengerechtigkeit dann wieder auf.

Vermögen und „Chancen“ gerechter zu verteilen, reicht nicht. Die Strukturen und sozialen Verhältnisse, die zum Spiel dazugehören, werden nicht angetastet: „Es ist, als würde einer Kritik an einem Geldspielautomaten, die darauf verweist, dass die Besitzer sich systematisch auf Kosten der Spieler bereichern, entgegengehalten, der Automat hätte zwar seine Schattenseiten, aber ohne Geldspielautomaten könne ja keiner gewinnen.“