Weingarten braucht soziale Infrastruktur und keine Nachverdichtung mit Eigentumswohnungen

Auggener Weg Dreieck, das bebaut werden sollDie Freiburger Stadtbau will in Weingarten bauen. Der Siegerentwurf für zwei im Grundriss ziemlich ähnliche Grundstücke in einem Straßendreieck am Auggener Weg und in der Sulzburger Straße sieht zwei baugleiche achtstöckige Hochhäuser vor. Bei einer Informationsveranstaltung des Stadtplanungsamtes sorgten die Pläne für großen Unmut bei den Anwesenden, der sich aus der generellen Benachteiligung des Stadtteils speiste. Die Unmutsäußerungen waren sehr verständlich, allerdings ließen sie wichtige Fragen rund um die Baupläne außen vor.

Das lag auch an der Zusammensetzung des Publikums. So kamen z. B. einige Redebeiträge von Bewohner:innen von Reihenhäusern in der Katharina-von-Bohrer-Straße. Ihre Befürchtung, dass mit dem neuen Hochhaus am Auggener Weg die letzten Sichtachsen verbaut werden und evtl. dann von allen Seiten Menschen ins Schlafzimmer gucken können, kann man, wenn man sich in sie hineinversetzt, verstehen. Dass man versucht eine Beeinträchtigung möglichst gering zu halten ist völlig in Ordnung, diese Stimmen sollten allerdings nicht die sein, von denen man sich leiten lässt. So bemängelte eine Rednerin, dass sie seitdem sie dort hingekommen seien, um für mehr Durchmischung zu sorgen, immer weiter belastet würden. Vielleicht hätten diese Personen ja schon damals auf die Idee kommen können, dass es etwas merkwürdig ist, in einem der wohl vielfältigsten Stadtteile für mehr „Durchmischung“ sorgen zu sollen. Oder sind Reihenhausbewohner:innen die besseren Menschen, denen ein Idyll zusteht, das den Hochhausbewohner:innen ein paar Meter weiter nicht vergönnt ist? – Nein, natürlich nicht! In einer Zeit der allgemeinen Wohnungsnot, in der man aufgrund der Klimakatastrophe nicht noch mehr Fläche versiegeln sollte, sind Reihenhäuser, egal ob in Weingarten, Herdern, am Tuniberg oder dem Freiburger Umland schlicht immer falsch. Deshalb ist auch die Überlegung der Augsburger Architekten richtig, möglichst wenig Grünfläche zu bebauen, diese dafür aber relativ hoch.

Wichtig für die Debatte ist ein anderer Kritikpunkt an den Plänen. Die Infrastruktur in Weingarten wächst nicht mit der steigenden Bevölkerung mit. Kulturelle und gastronomische Angebote sowie Bildungseinrichtungen sind Mangelware. Besonders schwer wiegt das immer wieder erwähnte Fehlen einer weiterführenden Schule in Weingarten.

Das Haus Weingarten, nur wenige Meter entfernt vom Grundstück im Auggener Weg, das die Stadtbau nun bebauen will, ist in einem solch schlechten Zustand, dass der überwiegende Teil des Gebäudes nicht genutzt werden darf. Die Sanierung oder auch der Abriss und Neubau des Haus Weingarten stehen trotzdem bisher nicht auf der Tagesordnung. Man müsse, so das Stadtplanungsamt, erstmal abwarten, bis die Neubebauung im Lindenwälde soweit ist, weil man u.a. für das Kinder- und Familienzentrum Violett aktuell die nutzbaren Räumlichkeiten noch brauche. Wann das sein wird, steht in den Sternen.

Daran schließt sich die Frage an: Warum baut man am Dreieck am Auggener Weg nicht z. B. ein Schul- und Kulturzentrum? U. a. auch durch die Nähe zu sogenannten Sinti-Siedlung könnte gerade auch Kindern aus diesen vielfach diskriminierten Familien der Übergang zu einer weiterführenden Schule erleichtert werden. In Kombination mit einem Kulturzentrum und evtl. noch einigen Sozialwohnungen könnte das ein Bauprojekt sein, dass weitaus sinnvoller als die bisherigen Pläne und evtl. auch besser vermittelbar wäre. Von Sozialwohnungen profitieren durch die absurd hohen Einkommensgrenzen in Baden-Württemberg, die z. B. vorsehen, dass eine dreiköpfige Familie bis zu einem Jahreseinkommen von 64.250 € Anrecht auf einen Wohnberechtigungsschein hat, übrigens selbst gut Verdienende. Bauflächen sind keine nachwachsenden Rohstoffe. Wenn tatsächlich Freiflächen zwischen den Hochhäusern bebaut werden sollen, braucht es dafür gute Gründe. Eigentumswohnungen, die sich ein Großteil der Weingartner Bevölkerung nicht leisten können wird, sind keiner. Die Frage: „Warum baut ihr immer nur in Weingarten?“, ist deshalb mehr als berechtigt.