Neue Hausbesetzungsbewegung?

Die Besetzung der Guntramstraße 44 im Stühlinger hat die Debatte um Hausbesetzungen als Protestform entfacht. Selbst wenn Besetzungen in einer Stadt wie Freiburg, mit einer relativ geringen Leerstandsquote, das Wohnungsproblem nicht lösen werden, stellen sie doch ganz praktisch die Eigentumsfrage, ohne die wir nicht weiter kommen werden, wenn Wohnen endlich Menschenrecht sein soll.

Gegen die Stadt der Reichen

„Wir stellen uns gegen die Stadt der Reichen. In der Stadt der Reichen ist jede Wohnung, jeder Platz, jeder Park und auch die Moral auf diejenigen zugeschnitten, die den höchsten Preis bezahlen können.“ so heißt es von der Berliner Besetzen-Kampagne. Die Guntramstraße 44 symbolisiert die Stadt der Reichen. Der neue Eigentümer Bertram Feil ist ein in der Schweiz arbeitender Arzt. Mit Eigenbedarfskündigungen und Stromabstellen hat er die letzten MieterInnen vertrieben. Dass JuristInnen akzeptieren, dass er mit seiner 5-köpfigen Familie und für den Schwiegerelternbesuch wirklich das ganze Haus braucht, zeigt, dass auch das Recht auf Seite der Reichen ist. Wer sich gegen die Stadt der Reichen stellt oder wer auch nur die skandalöse Rechtsprechung verändern will, muss zivilen Ungehorsam wagen. Linke-Liste-Stadtrat Ergün Bulut bringt es auf den Punkt, wenn er sagt: „Klar, dass die Besetzung widerrechtlich war. Vielleicht liegt es daran, dass eine rechtmäßige Besetzung nicht möglich ist.“

Miete macht arm

Gesetzeskonform ist es aber, dass EigentümerInnen MieterInnen immer weiter auspressen. Anstatt Wohnen als Grundbedürfnis wie Gesundheit und Bildung zu begreifen, wird Wohn- und Lebensraum zur Ware. „Miete macht die Armen ärmer und die Reichen reicher“, so noch einmal die Berliner Besetzen-Kampagne. „Der geringste Teil des Mietzinses fließt in den Erhalt der Häuser, der weitaus größere bedient Profit und Rendite der Eigentümer*innen und Investor*innen.“ Dafür gibt es in Freiburg unzählige Beispiele. In der Knopfhäuslesiedlung

zahlten MieterInnen 150 Jahre lang Miete, Instandhaltung fand kaum statt, obwohl ein Teil der Miete genau dafür gezahlt wird. Auch das Metzgergrün im Stühlinger zeigt, dass die Stadtbau hier keinesfalls besser ist als andere. Es wird so lange nicht instandgesetzt, bis es heißt: Eine Sanierung ist nicht mehr möglich. „Wenn Wohn- und Lebensraum auf derselben Ebene rangieren wie jede andere Investitionsmöglichkeit verkommen wir, Mieter*innen und Nutzer*innen, zu Nummern in nüchternen Kosten-Nutzen-Rechnungen.“ Durchbrochen werden kann das nur, wenn wir die Eigentumsordnung in Frage stellen.

Selbstverwaltung

Die MieterInnen müssen den Wohnraum und das, was mit ihm passiert, selber verwalten. Die Häuser müssen weg vom Wohnungsmarkt. Das passiert in Projekten des Mietshäuser-Syndikats, könnte aber durchaus auch bei der Stadtbau oder Genossenschaften realisiert werden, wenn Modelle mit Mitbestimmung und Vetorecht für BewohnerInnen integriert würden.

Bis solche Modelle durchgesetzt werden, sind Hausbesetzungen ein Mittel, um Druck auf die Stadt auszuüben, endlich öfter in die Eigentumsordnung einzugreifen. Es braucht echten Milieuschutz flächendeckend über die ganze Stadt und wer stetig die wenigen Eigentümerpflichten mißachtet, sollte auch, wie in Hamburg in Einzelfällen schon geschehen, enteignet werden. Und solange Häuser zu Spekulationszwecken leerstehen, ist mit Bertold Brecht zu sagen:„In Erwägung, daß da Häuser stehen, während ihr uns ohne Bleibe laßt, haben wir beschlossen, jetzt dort einzuziehen, weil es uns in uns’ren Löchern nicht mehr paßt.“