Bericht von Betroffenen: Polizeikontrollen auf dem Stühlinger Kirchplatz

Für die Zeitung haben wir auch mit Menschen gesprochen, die den Stühlinger Kirchplatz als Teil ihres Lebensraums betrachten, so ist das folgende Interview entstanden. Unser Interviewpartner will aus Angst vor weiteren Repressionen seinen Namen nicht nennen, wir nennen ihn hier Herrn K.

Zeitung: Was ist der Stühlinger Kirchplatz für dich?

Herr K.: Ich bin seit zwanzig Jahren fast täglich auf dem Stühlinger Kirchplatz. Ich treffe da meine Freunde. Wir haben alle nicht viel Geld, wir können es uns nicht leisten, in der Innenstadt in eine Kneipe zu gehen, wo ein Bier 4 Euro kostet. Deswegen holen wir uns im Supermarkt nach der Arbeit zum Feierabend ein paar Bier und treffen uns im Park. Es ist ein bisschen wie eine große Familie, man hilft sich auch gegenseitig.

Zeitung: Wie erlebst du das Auftreten der Polizei?

Herr K.: Ich verstehe nicht, was die Polizei da tut. Oft werde ich praktisch jede Stunde kontrolliert, ich werde nach meinem Ausweis gefragt, meine Taschen werden kontrolliert, ich muss mich ausziehen. Die Polizei stellt sich mit ihren Autos direkt vor uns und leuchtet uns mit den Scheinwerfern der Streifenwagen an, wenn wir einfach nur zusammensitzen. Außerdem werden eigentlich nur People of Color kontrolliert, Menschen mit weißer Hautfarbe aber nie. Warum ist das so?

Zeitung: Hast du mal versucht, dich gegen diese Art von Kontrollen zu wehren?

Herr K.: Einmal habe ich versucht mich zu wehren. Vier Polizisten wollten mich kontrollieren und wollten meinen Ausweis Den habe ich ihnen gegeben. Dann haben sie verlangt, dass ich meine Taschen leere, auch das habe ich ohne Widerspruch getan. Dann wollten sie, dass ich mich in der Öffentlichkeit ausziehe, das wollte ich aber nicht. Da waren Kinder auf dem Platz, ich habe Arbeitskollegen gesehen, ich wollte nicht, dass die mich so sehen. Da habe ich mich geweigert. Sofort haben die vier Polizisten mich auf den Boden geworfen, ich hatte hinterher eine Platzwunde am Kopf, eine geprellte Schulter und mehrere blaue Flecken. Dann haben die Polizisten mich auf die Wache mitgenommen. Dort musste ich mich nackt ausziehen. So haben die mich mehr als eine halbe Stunde einfach so in einem Raum sitzen lassen. Währenddessen kamen immer wieder Polizisten ins Zimmer, die haben sich unterhalten, teilweise auch irgendwas gegessen. Ich bin herzkrank und habe ihnen das auch gesagt, ich habe einen Notfallausweis. Das hat die überhaupt nicht interessiert. Nach einer guten halben Stunde haben sie mir meine Sachen wiedergegeben und mir gesagt, dass ich gehen könnte. Als ich gefragt habe, warum sie mich so lange nackt haben herumsitzen lassen, haben sie mir zu gesagt, dass ich froh sein könnte in Deutschland zu sein, in meinem Herkunftsland würde man ganz anders mit mir umgehen. So darf man Menschen nicht behandeln, die haben auch meine Würde verletzt.

Zeitung: Hat sich eigentlich das Auftreten der Polizei in den letzten Jahren verändert?

Herr K.: Kontrolliert wurden wir schon immer, wir wurden auch schon immer viel häufiger als weiße Menschen kontrolliert. Weiße Menschen können gegen Kontrollen protestieren, ohne dass ihnen was passiert. Wenn Menschen nichtweißer Hautfarbe protestieren, werden sie geschlagen so wie ich. Die Polizisten, die auf dem Stühlinger Kirchplatz kontrollieren, sind sehr viel jünger als früher, die sind oft erst 20, 22 Jahre alt, oft sind sie auch noch in Ausbildung. Die haben keine Erfahrung und kennen uns nicht. Früher kannten uns die Polizisten, die sind vorbeigekommen, haben uns natürlich auch kontrolliert, aber ansonsten in Ruhe gelassen. Heute ist das total anders. Das macht nicht nur mir Angst, weil wir wissen, dass wir wehrlos sind. Jedenfalls hat sich mein Bild von der Polizei total gewandelt. Ich wohne seit dreißig Jahren in Freiburg, ich habe früher mal gelernt, dass die Polizei mir hilft. Heute habe ich Angst vor denen.

 

Dieser Beitrag ist in der Zeitung „Gefährliches Pflaster“ – Zeitung zur Sicherheitskritik erschienen.