Für einen starken Rechtsstaat

Die CDU/CSU und SPD hielten im 2018 geschlossenen Koalitionsvertrag fest, man wolle einen „Pakt für den Rechtsstaat“ zwischen dem Bund und den Ländern schließen. Es gelte, „den Rechtsstaat handlungsfähig [zu] erhalten“ (Zeile 5744 des Koalitionsvertrags).
Im Januar 2019 war es so weit: Angela Merkel vereinbarte mit den Ministerpräsident*innen der Länder einen Maßnahmenkatalog, zu dem unter anderem eine bessere Personalausstattung von Polizei und Justiz gehören, eine verbesserte Kommunikation zwischen Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichten sowie eine Beschleunigung und Vereinfachung bestimmter Gerichtsverfahren.
Getragen werden diese Maßnahmen von der Absicht, das staatliche Gewaltmonopol auszubauen, indem die Eingriffsbefugnisse sowie die faktischen Eingriffsmöglichkeiten von Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichten (etwa durch eine Aufwertung der personellen Ressourcen) gestärkt werden.

Das alles geschieht im Namen eines „starken Rechtsstaats“.
Auch in anderem Kontext wird der Rechtsstaatsbegriff herangezogen, um staatliche Maßnahmen zu legitimieren oder auszuweiten. Egal, ob es darum geht, Geflüchtete abzuschieben, gegen linke Strukturen vorzugehen oder missliebiges Verhalten zu kriminalisieren. Es geht stets darum, die „Härte des Rechtsstaats“ zu demonstrieren.

Das Rechtsstaatsverständnis, das diese Aussagen implizieren, verkehrt den Begriff jedoch in sein Gegenteil. Rechtsstaat, das bedeutet dem Grunde nach: Rechte des Einzelnen stärken, staatliche Machtausübung einhegen, Rechtsschutz gegen staatliche Übergriffe in die eigenen Freiheitsrechte gewährleisten. Der Rechtsstaat ist ein solcher, der den Bürger*innen Abwehrrechte zur Verfügung stellt, der bei der Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols möglichst zurückhaltend vorgeht und nur dort einschreitet, wo es zum Ausgleich konfligierender Interessen absolut notwendig ist.

Ein „Pakt für den Rechtsstaat“ ist eigentlich keine schlechte Idee. Denn der Schutz von Freiheitsrechten ist in diesen Zeiten bitter nötig.