Polizei und Badische Zeitung erzeugen Unsicherheit

Polizei und Badische Zeitung erzeugen Unsicherheit

Badische Zeitung und ihre Schlagzeilen (Collage: eigene)

Sicherheit und Unsicherheit sind keine messbaren Tatsachen. Sie sind Ausdruck der gesellschaftlichen Verhältnisse, werden von unterschiedlichen Kräften hergestellt und völlig unterschiedlich definiert. Wie Unsicherheit in das Bewusstsein von Menschen eingetrichtert wird, obwohl relative Sicherheit herrscht, zeigt die Diskussion um den Stühlinger Kirchplatz am Freiburger Hauptbahnhof beispielhaft.

Beispielhaft ist sie insbesondere für das Zusammenwirken von Polizei und Medien. Bereits 2014 war für die Badische Zeitung (BZ) der Stühlinger Kirchplatz wochenlang das Thema Nummer 1. Besonders im Fokus der BZ standen „unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“, die den Kirchplatz angeblich zur „No-Go-Area“ werden ließen. Die BZ betrieb klassische Verdachtsberichterstattung: „Über die Tätergruppe, über ihre Verbindungen weiß man noch wenig. Fest steht nur: Die Zahl der minderjährigen Flüchtlinge ist stark gestiegen.“ Selbst die Polizei ruderte bald zurück, erklärte, dass sie nur zum Teil solche Jugendlichen verdächtige, dass die Verdächtigen im Wesentlichen kleine Diebstähle begingen und Gewalt möglichst vermieden.

BZ-Redakteur Joachim Röderer ignorierte den Pressekodex gleich mehrfach. Obwohl es dort heißt: „Die Presse darf eine Person als Täter bezeichnen, wenn sie ein Geständnis abgelegt hat und zudem Beweise gegen sie vorliegen oder wenn sie die Tat unter den Augen der Öffentlichkeit begangen hat“, schrieb er – allein auf Vermutungen und Verdächtigungen basierend – von einer „Tätergruppe“. Dass der Pressekodex bei der Berichterstattung über Straftaten eigentlich besondere Zurückhaltung vorsieht, war ihm egal. Minderjährige Flüchtlinge und auch der Stühlinger Kirchplatz waren stigmatisiert. Dass selbst die Polizeiliche Kriminalstatistik im fraglichen Zeitraum lediglich einen kleinen Anstieg von Raubdelikten, aber einen Rückgang von schweren Gewalttaten auf dem Platz verzeichnete, bekam kaum jemand mehr mit.

Die Folge der Berichterstattung war, dass sich junge Menschen mit nicht-weißem Aussehen höchst unangenehmen polizeilichen Personenkontrollen unterziehen mussten. Da viele Polizeikontrollen auch zwangsläufig viele Verdachtsmomente nach sich ziehen, sah sich die BZ durch die herbeigeschriebene erhöhte Polizeiarbeit gegen besagten Personenkreis wieder in ihrer Meinung bestätigt. Schon damals handelte es sich um einen medial-polizeilichen Verstärkerkreislauf, der die rechten Hetzer erfreute. Die lapidare Antwort des verantwortlichen Lokalredakteur der BZ, Uwe Mauch, auf das Aufgreifen der BZ-Artikel durch rechte Webseiten: „Ich gucke mir rechte Webseiten nicht an.“

Der Rassismus gegen junge Geflüchtete nahm zu, mehr Menschen als zuvor hatten ein schlechtes, unsicheres Gefühl, wenn sie über den Kirchplatz gingen, und die BZ hatte einen großen Anteil an dieser Entwicklung, die der tatsächlichen Sicherheitslage diametral entgegenstand. Im Sommer 2019 führte die Polizei zeitweise etwa alle zwei Wochen Großkontrollen mit einer halben Hundertschaft Polizist*Innen durch, bei denen nicht nur Spürhunde, sondern auch Drohnen und Kameras eingesetzt werden. Zuvor hatte die BZ immer wieder über das angeblich beschädigte „Sicherheitsgefühl“ der Bevölkerung durch den Drogenhandel von Gambiern auf dem Kirchplatz berichtet. Die Ergebnisse der Razzien wurde per Polizeipresseerklärungen verkündet. Man habe geringe Mengen an Marihuana gefunden. Anders gesagt: ein paar Gramm Gras, das man wohl in jedem größeren Freiburger Studierendenwohnheim auch hätte finden können. Dort guckt man aber (zum Glück) nicht hin.

Geschaut und kontrolliert wird dort, wo der Fokus der Öffentlichkeit liegt, und der wird in Freiburg zu einem großen Anteil durch die monopolartige Lokalzeitung vermittelt. Da insbesondere bei jungen Männern, egal welcher geographischen und sozialen Herkunft, abweichendes Verhalten und auch Kriminalität ein Alltagsphänomen ist, findet man natürlich auch etwas, wo man hinguckt. Damit befeuert die BZ einen bundesweiten Trend, auf den der Journalismusforscher Prof. Dr. Thomas Hestermann aufmerksam macht. Nach der Änderung des Pressekodex verweisen 44,1 % der Artikel in überregionalen Tageszeitungen über Gewaltkriminalität auf die Herkunft der Tatverdächtigen. Die Herkunft wird meist nur dann erwähnt, wenn die Tatverdächtigen Ausländer sind. Verglichen mit der Polizeilichen Kriminalstatistik ergibt sich ein stark verzerrtes Bild: Während die Polizei 2018 mehr als doppelt so viele deutsche wie ausländische Tatverdächtige erfasste, kommen in Zeitungsberichten mehr als 14 ausländische Tatverdächtige auf einen deutschen Tatverdächtigen. So schaffen sich Medien wie die Badische Zeitung ihre eigene Realität, die dem Rassismus und reaktionären Forderungen nach immer mehr Polizei und Überwachung weiteren Auftrieb bringt.

Dass man selbst aus dem Stühlinger Bürgerverein hört, einige würden sich nicht mehr gerne von der BZ interviewen lassen, da immer nur Aussagen zu einem angeblich schlechten Sicherheitsgefühl zitiert würden und alles andere weggelassen werde, spricht für diese Entwicklung traurige Bände.

Lena Meyer

Dieser Beitrag ist in der Zeitung „Gefährliches Pflaster“ – Zeitung zur Sicherheitskritik erschienen.