Unsicherheitspartnerschaft zwischen Stadt und Land

Wenn man durch die Freiburger Innenstadt geht, erzeugt der Anblick der Mitarbeiter*innen des Kommunalen Vollzugsdienstes (VD) ein Gefühl der Sicherheit. Echt jetzt? Für wen wird denn hier das in Freiburg in letzter Zeit gerne zitierte „Sicherheitsgefühl“ gesteigert, und vor allem: auf wessen Kosten? Um diese Frage zu beantworten, sollte eigentlich ein Blick auf die Aufgaben des VD ausreichen. Dazu gehören das Einschreiten gegen „Lagern oder Nächtigen auf öffentlichen Straßen“ sowie gegen „belästigendes oder aggressives Betteln“ oder auch die Kontrolle von Straßenmusiker*innen. Noch Fragen?

Der VD bekämpft also keinesfalls etwaige Gewalt, sondern Verhalten, zu dem nur ein bestimmter Teil der Gesellschaft gezwungen ist, und das mit Gewalt im Sinne von Taten wie Mord und Vergewaltigung nichts zu tun hat.
Das Nächtigen auf der Straße ist für niemanden – außer eventuell für die schlafende Person selbst – bedrohlich. Auch „Betteln“, selbst wenn es mit Nachdruck geschieht, ist nichts, was anderen weh tun könnte. Der Zusatz „belästigendes“ sollte uns nachdenklich machen.

Wenn wir uns wirklich von bettelnden Menschen „belästigt“ fühlen, sind dann nicht wir in unserer Empathielosigkeit das größere Problem?

Natürlich ist das Ignorieren von bettelnden Menschen auch nicht Kern des Problems, sondern die Armut, die durch das Betteln sichtbar wird. Mit dieser Armut scheinen wir nicht konfrontiert werden zu wollen. Gewalt ist also durchaus im Spiel: strukturelle Gewalt gegenüber Menschen mit wenig ökonomischem Kapital. Das soll nicht heißen, dass Mitarbeiter*innen des VD nicht durchaus nett gegenüber Obdachlosen oder bettelnden Menschen sein können. Immer wieder gibt es Berichte, die einen freundlichen Umgang der VD-Bediensteten erkennen lassen. Aber auch mit aller Anstrengung bleiben sie in ihrem Arbeitsauftrag gefangen und dieser sieht nicht die Bekämpfung der Armut vor, sondern die Bekämpfung der Armen. Viel eher als der Sicherheit dient der VD dem Bild der clean city Freiburg, die sich sauber und ohne Armut den Tourist*innen präsentieren will. Dazu passt, dass zur kurzen Ausbildung des Vollzugsdienstes auch eine Tourismusschulung durch die „Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe“ (FWTM) gehört.

 

Populistische Sicherheitspartnerschaft

Der VD wurde durch den Gemeinderat von 12 auf 18 Stellen aufgestockt. Das Ganze geschah als Fortschreibung der sogenannten Sicherheitspartnerschaft (SIPA) zwischen Stadt und Land und stand im Kontext der Debatte nach der Gruppenvergewaltigung vor dem Hans-Bunte-Areal. Schon die Einführung der SIPA war als Reaktion auf den Mord an Maria L. an der Dreisam verkauft worden, obwohl sie eine solche Tat nicht hätte verhindern können. Nebenbei schrieb die Badische Zeitung nicht erst seit diesem Mord ein Problem mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen herbei. Entsprechend war auch die Fortschreibung der SIPA purer Populismus und Teil der Diskursverschiebung nach rechts. Denn sexualisierte Gewalt bekämpft weder der VD noch das erhöhte Polizeiaufgebot. Auch die Kameraüberwachung verhindert keine Sexualstraftat. Dieses Phänomen bekämpft man nicht mit mehr Polizei, sondern mit dem stetigen Kampf gegen patriarchale Rollenmuster. Die Sexualstraftaten lieferten den reaktionären Kräften im Gemeinderat den Anlass, ihre schon lange in der Schublade befindlichen Pläne zu realisieren.

Mehr Polizei, mehr Kameraüberwachung und eine eigene Stadtpolizei, die ehemals als Kommunaler Ordnungsdienst (KOD) noch von einer neuen Gemeinderatsmehrheit relativ schnell wieder abgeschafft worden war. Einen Tag bevor der neue VD im Oktober 2017 seine Arbeit aufnahm, präsentierte die Stadtverwaltung ganz im Sinne des zu säubernden Stadtbildes auch noch die neue Anti-Graffiti-Linie. All diese Maßnahmen kosten natürlich einen Haufen Geld, das, wenn man wirklich gegen sexualisierte Gewalt und Armut vorgehen wollen würde, deutlich besser in Präventionsprojekten und sozialem Wohnungsbau angelegt wäre.

Anzumerken bleibt, dass der Widerstand gegen den KOD relativ groß war, als es noch die feiernden Studierenden auf dem Augustinerplatz betraf, nach der Labelveränderung in VD und der Änderung der Betroffenengruppe ebbte der Widerstand ab. Obdachlose und bettelnde Menschen haben auch in Freiburg kaum eine Lobby, genauso wenig wie Personen mit nicht-bio-deutschem Äußeren, die die Hauptbetroffenen der Polizeigroßkontrollen im Rahmen der SIPA sind. Für all diese Gruppen, die an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden, bedeutet die Sicherheitspartnerschaft nur eins: Unsicherheit.

Petra Haller

Dieser Beitrag ist in der Zeitung „Gefährliches Pflaster“ – Zeitung zur Sicherheitskritik erschienen.