Stadt-für-Alle-Nachrichten (Rückblick 15. März – 15. April 2020)

Stadt-für-Alle-Nachrichten (Rückblick 15. März - 15. April 2020)Nun sind sie wieder da, die „Stadt für Alle“ Nachrichten aus Freiburg und der Welt. Wer nicht lesen will, kann sie hier bei RDL nachhören.

EXISTENZMINIMUM AUCH FÜR EU-BÜRGER*INNEN!
Nach rassistischen und sozialchauvinistischen Kampagnen (Stichwort „Sozialtourimus“ 2013) wurde u.a. das europäische Fürsorgeabkommen aufgekündigt und Menschen aus EU Ländern die soziale Sicherung massiv erschwert. In einem Urteil von grundsätzlicher Bedeutung hat das Sozialgericht Düsseldorf nun erklärt, dass das Jobcenter in Wuppertal einem obdachlosem EU-Bürger Hartz IV zahlen muss. „Es ist dem Gericht, grade in der derzeitigen Extremsituation aufgrund der Pandemiesituation völlig unverständlich, wie die Antragsgegnerin [das Jobcenter] Leistungen verweigern kann. Ein ausländischer Obdachloser, der wegen geschlossenen Grenzen in Europa derzeit auch nicht in sein Heimatland zurückreisen kann, um, ggf. dort Sozialleistungen zu beantragen, ist nach Auffassung des Gerichts nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts auch hier von deutschen Behörden ein menschenwürdiges Existenzminimum zu gewähren, das sein Überleben in dieser Zeit sichert, zumal aufgrund der Einschränkungen des öffentlichen Lebens es derzeit für Obdachlose mehr als schwierig sein dürfte, auf der Straße Leistungen ggf. zu erbetteln.“ In der Folge gilt natürlich auch der Anspruch auf die Pflichtversicherung in der Krankenkasse und so auch der Anspruch auf eine vollständige medizinische Versorgung.

TODESURTEIL FÜR ALTE UND KRANKE
In einen Appell wenden sich Flüchtlinge aus dem Elendscamp Moria, Sinnbild für die mörderische Festung Europas, an die Öffentlichkeit und sprechen von einem Todesurteil für Alte und Kranke, wenn keine Evakuierung der Lager erfolgt: „Hier auf Lesbos leben derzeit fast 24.000 Flüchtlinge unter höchst unmenschlichen Bedingungen, ohne Zugang zu Grundversorgung. Wir haben nur für mehrere Stunden am Tag Wasser und leiden unter beklagenswerten hygienischen Bedingungen. (…) Jede Empfehlung, wie man die Ausbreitung von Corona vermeidet, klingt illusionär für uns: Wie sollen wir Abstand halten, wenn Tausende jeden Tag auf Nahrung warten müssen? Wie sollen wir unsere Hände waschen, wenn kein Wasser zur Verfügung ist?“. Unter dem Motto #LeaveNoOneBehind finden auch hier immer wieder Proteste gegen diese Zustände statt. Diese werden immer wieder von der Polizei be- und verhindert. Mely Kiyak schreibt in der Zeit: „Die Botschaft ist klar, damals wie heute, wer Menschen anzündet oder erschießt, wird für sein Anliegen mit restriktiver Flüchtlingspolitik belohnt.“

EINSCHRÄNKUNG DER VERSAMMLUNGSFREIHEIT
In der Coronakrise wurden Menschen wegen politischer Parolen auf dem T-Shirt verhaftet, Plakate und Pappfiguren im öffentlichen Raum beschlagnahmt, Menschen, die mit genügend Abstand ihre Meinung kundtaten, mit Platzverweisen vertrieben. Drohnen fliegen über Städte. Das ganze passiert nicht in Weißrussland, sondern hier. Amnesty International warnt vor zunehmenden Einschränkungen von Grundrechten in Europa im Zuge der Coronakrise. „Da wird nicht reflektiert, ob das Vorgehen wirklich dem Infektionsschutz dient. Es entsteht der Eindruck, dass manche Polizisten sich geradezu freuen, gegen bestimmte Versammlungen einschreiten zu können“, erklärt der Jurist Clemens Arzt. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar klargestellt, dass Versammlungen auch während der Corona-Krise zu ermöglichen sind, die Wirklichkeit auf der Straße sieht aber anders aus – das Recht muss von unten erkämpft werden! Baden-Württemberg plant derweil eine weitere Verschärfung des Polizeigesetzes. So sollen umfangreiche Durchsuchungen von Personen und Sachen im Zusammenhang mit Veranstaltungen und Ansammlungen ermöglicht werden.

NEIN ZUR CORONA-APP
Das technologiekritische Capulcu-Kollektiv warnt vor der Einführung von „freiwilligen“ Corona-Apps. Die Angst vor dem Virus werde benutzt, um einem Großteil der Bevölkerung „freiwillig“ ein autoritär hochwirksames Werkzeug zu verabreichen. Die Debatte um Apps verschleiere den Mangel an Schutzausrüstung wie Masken und das Unvermögen, deren Produktion zeitnah hochzufahren, und den Mangel an Testkapazitäten. Zudem lenke es vom Problem des kaputt gesparten Gesundheitssystem ab. Schon ein simples Software-Update würde die App in ein wirksames Tool zur individuellen Zugangsbeschränkung zu zahlreichen Orten verwandeln.

STEFAN ROST IST TOT
Am 10. März ist Stefan Rost gestorben, ein für Freiburg nicht zu ersetzender Verlust. In der HausbesetzerInnenzeit kritisierten ihn einige, weil er auch den Verhandlungsweg nutzen wollte, um Besetzungen zu legalisieren. Später saßen diese Personen u.a. im Gemeinderat und haben lange Jahre eine unsoziale Politik für die Verteuerung von Wohnraum zu verantworten. Stefan hingegen, der die Begeisterung für Besetzungen nie verlor, baute konsequent das Mietshäuser-Syndikat auf. Ein Modell, um Häuser dauerhaft dem Wohnungsmarkt zu entziehen, das mittlerweile über 150 Wohnprojekte umfasst und über die Landesgrenzen hinaus seine Wirkung entfaltet. Stefan setzte sich aber für viel mehr ein als bloß das Recht auf Wohnen. Er dachte auch an die Illegalisierten und brachte mit vielen anderen die Rasthausidee in Freiburg ins Rollen. Das Rasthaus soll eine Herberge für Verfolgte sein.