Vergesellschaftung ist mehrheitsfähig!

Der Tag der BundestagsVergesellschaftung ist mehrheitsfähig!wahl war ein wichtiger Tag für die Mieterinnen und Mieter. Nein: Die auf Bundesebene wohl kommende Ampelkoalition wird keinen echten Fortschritt für Mieter*innen bringen und das wäre auch bei einer leicht anderen Farbzusammensetzung nach der Wahl nicht anders. Zeitgleich mit der Bundestagswahl fand in Berlin allerdings auch die Abstimmung über den Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ statt und dieses Ereignis war ein Sieg für die Mieter*innenbewegung, der bundes-, wenn nicht europaweite Wirkung erzielen sollte.

1.798.308 Berliner*innen haben an der Abstimmung teilgenommen. Das sind 73,5 % der Wahlberechtigten. Eine große Mehrheit von 57,6 % stimmte für die Enteignung von Wohnungskonzernen mit „Gewinnerzielungsabsicht“ und mit mehr als 3.000 Wohnungen. 39,8 % stimmten dagegen. Diese Zahlen sind auch im Hinblick auf die ebenfalls am 26. September stattgefundene Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus interessant. Die einzige Partei, die die Enteignungsforderung unterstützte, die Partei Die Linke, erhielt nur 14,1 %. Gerade die Kombination von klar gewonnenem Bürgerentscheid für die Enteignung von großen Wohnungsunternehmen und schlechtem Wahlergebnis für die Partei Die Linke ist, das mag jetzt für einige hart klingen, sehr erfreulich.
Sie zeigt nämlich, dass sich gesellschaftliche Mehrheiten für linke Themen finden lassen, selbst wenn Menschen Parteien wählen, die diese Themen nicht vertreten. Im besten Fall könnte der Volksentscheid Menschen vor Augen führen, dass Kämpfe nicht innerhalb des Parteienapparats, sondern durch außerparlamentarische Organisierung gewonnen werden.

Viele Enteignungen im Sinne des Kapitals
Die Gegner*innen des Volksentscheids haben versucht mit dem vermeintlichen Schreckgespenst Sozialismus bzw. Kommunismus Politik zu machen. Angesichts dessen, dass Enteignungen in unserer Marktwirtschaft an der Tagesordnung sind, ein lächerliches Argument. So finden regelmäßig Enteignungen für den Straßenbau statt, als letztes prominentes Beispiel etwa für den Bau der Autobahn A 49 durch den Dannenröder Forst. Auch für den Kohleabbau wird munter enteignet, in Garzweiler, dem Hambacher Forst oder in der Lausitz. Teils werden dafür ganze Dörfer abgerissen. Das Grundgesetz erklärt: „Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig.“ Nun, in einer Zeit, in der der menschengemachte Klimawandel eigentlich nur noch von ein paar Spinnern geleugnet wird, sollte klar sein, dass der Autobahnbau und die Kohleverstromung nicht dem Wohl der Allgemeinheit dienen. Ganz anders sieht das bei der Enteignung von Wohnungskonzernen aus, die sich kaum um ihre Immobilien kümmern und den Mietenwahnsinn immer weiter treiben. Dass ihre Vergesellschaftung in einer Stadt wie Berlin, wo sich die Mieten in den letzten 10 Jahren verdoppelt haben, nicht dem Allgemeinwohl diene, können nur marktradikale Wirtschaft-vor-Menschen-Ideolog*innen behaupten.

Der Kampf ist noch nicht gewonnen
Die Kampagne Deutsche Wohnen und Co enteignen hat lange Aufklärungsarbeit geleistet, hat den Kontakt zu den Mieter*innen in den verschiedenen Vierteln gesucht und letztlich die Mehrheit davon überzeugt, dass eine Vergesellschaftung notwendig ist. Der Kampf ist allerdings keinesfalls gewonnen. Rot-Grün-Rot will erst einmal ein Expert*innengremium einsetzen, das ein Jahr beraten soll. Für den Bürger*innenwillen muss also weiter gekämpft werden, auch eine wirksame Kontrolle der Anstalt öffentlichen Rechts, die die Wohnungen übernehmen soll, durch die Mieter*innen muss erkämpft werden. Durch die Verankerung in den Stadtteilen ist aber eine sehr gute Basis hierfür gelegt worden. Ein mutmachendes Beispiel, weit über Berlin hinaus, das auch vorbildhaft für Kämpfe z. B. für ein solidarisches, von der Profitlogik befreites Gesundheitswesen sein könnte. Eine Zeit, die geprägt ist von den fatalen Auswirkungen der Coronapandemie, ist genau die richtige Zeit, um für solche Ideale zu kämpfen und sich zu organisieren.