Roma/Sinti Diskriminierungsbericht 2022

„Für die Freiburger BürgerInnen liegt der Lago (Maggiore) näher als Weingarten, in denen sie nie sind und waren. Es gibt kaum eine deutsche Stadt, in der die Segregation zwischen arm und reich, weiß und farbig so ausgeprägt ist wie in Freiburg“, so die zugespitzte Formulierung im Roma/ Sinti Diskriminierungsbericht für das Jahr 2021, der wieder einmal einen sehr lesenswerten Blick hinter die Fassade der „offenen“ Stadt Freiburg bietet, die auch infrastrukturell eine gespaltene Stadt ist. Der teuer hergerichtete Platz der alten Synagoge steht dem seit langen Jahren vor sich hin gammelnden Haus Weingarten gegenüber.

Der Bericht zeigt erneut die Verschränkung von Ausgrenzung und Ausbeutung auf. „Die Arbeit wird ungerecht aufgeteilt, die Deutsche bekommen kleinere Abteilung mit so 30 Patienten, wir die Ausländer die größeren Stationen mit 50 bis 65 PatientInnen“, berichtet ein Rom aus einem Krankenhaus. Er erklärt auch, warum die Betroffenen sich nicht wehren: „Auch haben wir Angst, weil wir Ausländer über eine Leihfirma mit Werkvertrag kommen und wir schnell eine Kündigung bekommen können.“ Die aufenthaltsrechtliche Problematik macht zahlreiche Freiburger Roma besonders verwundbar für die Ausbeutung. So berichtet ein Securitybeschäftiger: „Ich brauche für den Aufenthalt einen unbefristeten Vertrag, das wissen die und so werd immer ich angerufen wenn jemand ausfällt, meist am selben Tag, soll ich einspringen, wie soll ich nein sagen? … so hab ich dann wochenlang keinen freien Tag, das Familienleben leidet und ich bin im Dauerstress.“
Diese eindrücklichen Erfahrungen sollten nicht nur auf individueller Ebene betrachtet werden. Tomas Wald vom Freiburger Romabüro spricht von einer Tendenz, gesellschaftliche Herrschaftsverhältnisse zu psychologisieren und zu individualisieren. Die jeweiligen Probleme liegen also nicht an den einzelnen Personen, sondern an unserer kapitalistischen Klassengesellschaft. In dieser bedient man sich Diskriminierung und Vorurteilen, um Menschen z. B. Jobs machen zu lassen, die niemand machen will.

„Nach dem B1 Sprachkurs ging ich – EU-Bürgerin – auf Arbeitssuche. Meiner Arbeitsvermittlerin im
Job Center hab ich meinen Wunsch wieder als Speditionskauffrau zu arbeiten mitgeteilt; aber die: Nee, gar nicht, du bist Putzfrau. Ich erhielt vier Vermittlungsvorschläge als Reinigungskraft und das trotz eines positiven Berichts von der Beratungsstelle.“ Gerade auf Behörden machen viele Sinti und Roma Erfahrungen, die einerseits den Rassismus einzelner Mitarbeiter:innen zeigen können, anderseits aber auch Ausdruck einer lange eingeübten allgemeinen Behördenpraxis sind, die auch andere Personen unterer Klassen treffen kann.
Der Bericht kritisiert strengere und repressive Überprüfungen bis hin zu einer Art von Verhörpraxen, wo z. B. erklärt werden muss, warum der Sohn dem Vater seinen Mietanteil in der gemeinsamen Wohnung nicht überweist sondern bar auf die Hand gibt. Formal kann das alles korrekt sein. Das ändert aber nichts daran, dass dieses Behördenhandeln moralisch Unrecht ist. „Fast 1400 Euro Wohnraumgebühren an die Stadt zahlen wir für 2 Zimmer und Wohnküche. Das ist für keine Luxuswohnung sondern für eine sehr einfache. (…) Ich kenne niemand der Ermäßigung bekommt, aber viele die bei der Stadt hohe Schulden wegen der sehr hohen Wohnraumgebühren haben und jahrelang noch abbezahlen müssen, wir auch.“ In diese sogenannten Unterkunftsgebühren, die viele Roma treffen, kalkuliert die Stadt noch Personalkosten bei der Verwaltung von den Gebäuden, Betriebs- und Renovierungskosten mit ein, so dass für eine Wohnung z. B., falls keine Reduktion erlassen wird, 18 €/ qm fällig werden. In diesem Fall ist es allerdings auch rechtlich fragwürdig, ob das Label Gebühr ausreicht, um juristisch korrekt zu handeln. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte die Unterkunftsgebühren für Geflüchtete in Bayern für unwirksam und verfassungswidrig erklärt und von Mietwucher gesprochen. Fraglos ist, dass wir als Freiburger Zivilgesellschaft uns gegen eine solche Abzocke unserer Mitmenschen wehren und auch die anderen Formen der Ausgrenzung gemeinsam bekämpfen sollten.