Keine Strafanzeigen beim „Fahren ohne Fahrschein“!

Keine Strafanzeigen beim „Fahren ohne Fahrschein“!Der Arbeitskreis kritische Soziale Arbeit erklärt in einer Antwort an die VAG: Der Straftatbestand des „Fahrens ohne Fahrschein“ muss gestrichen werden. Stattdessen braucht es ein Null-Euro-Sozialticket und den kostenlosen ÖPNV! Bis dahin fordern wir den Freiburger Gemeinderat auf: Weisen Sie die VAG an, keine Strafanzeigen beim „Fahren ohne Fahrschein“ zu stellen!

Knapp 9.000 Menschen konnten im Jahr 2021 im Netz der VAG bei Kontrolle keinen Fahrschein vorlegen. In 1.900 Fällen wurde eine Strafanzeige gestellt.
Eine Strafanzeige sei laut Schreiben der VAG verpflichtend, wenn die Polizei zur Adressermittlung hinzugezogen wird – das heißt in Fällen, in denen die Person ohne Fahrschein kein Ausweisdokument vorlegen kann. Diese Fälle betreffen verstärkt Menschen in prekären Lebenslagen und ohne Geld. Denn gerade Menschen mit wenig Geld haben teilweise keine gültigen Ausweispapiere. Die Beantragung von Ausweispapieren kostet Geld, auf der Straße gehen Papiere verloren, manche sind überfordert mit der Bürokratie oder haben Fiktionsbescheinigungen, die nur wenige Zeit (1-3 Monate) gültig und schnell abgelaufen sind. Die VAG betont, dass im Falle einer Identitätsklärung durch die Polizei zwingend Anzeige erstellt werden müsse. Doch auch hier hat die VAG Handlungsspielräume: Die Entscheidung, die Adressermittlung zu verfolgen und die Polizei zu rufen – und damit der erste Anstoß – liegt immer noch bei der VAG. Eine Strafanzeige müsse auch gestellt werden, wenn die Polizei „zu brenzligen Situationen“ hinzugezogen werde, heißt es weiter. Doch wie oft kommt es „auch mal zu brenzligen Situationen“ wie es in der Stellungnahme beschrieben wird? Und welchen Anteil machen diese tatsächlich an den gestellten Strafanzeigen aus?
Auch im Wiederholungsfall – wenn noch offene Forderungen bestehen oder ein Fahrgast wiederholt erwischt wurde – werde Strafanzeige gestellt. Eine Person in Geldnot hat nach der ersten Kontrolle ohne Ticket aber nicht plötzlich mehr Geld für Tickets.

Als Abschreckungs- oder „negative Signalwirkung“ ist eine Anzeige für armutsbetroffene Menschen also nicht wirksam. Sie treibt Menschen eher noch weiter in die Armut.
In ihrem Schreiben betont die VAG, mit „‘Fingerspitzengefühl‘ mit dem Instrument ‚Strafanzeige‘“ umzugehen. Erschwerend sei aber, dass „‘Armut‘ – glücklicher Weise – in sehr vielen Fällen nicht ersichtlich ist“. Unglücklicherweise ist Armut damit aber auch unsichtbar. Aus diesem Grund kann es nur schiefgehen, wenn die Entscheidung gegen eine Strafanzeige von einer Art „Armuts-Bewertung“ des Prüfpersonals abhängig ist.

Lücken des Sozialtickets
Die bisherigen Pläne durch ein 49€-Ticket, Mobilität zugänglicher und den ÖPNV erschwinglicher zu machen, sehen für Menschen mit wenig Geld nicht wirklich vielversprechend aus. Das 49€-Ticket soll nur im Abo bezogen werden können, personen-/ausweisgebunden gelten und auch nur online erhältlich sein. Das setzt ein Bankkonto und Internetzugang voraus, wie die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe kritisiert – aber auch einen Ausweis, ein funktionierendes mobiles Endgerät und finanzielle Stabilität. Zudem sind 49€ für viele schlichtweg zu teuer. Damit auch Menschen mit wenig Geld von einem bundesweiten Ticket profitieren und sich die Zwei-Klassen-Mobilität nicht weiter fortsetzt, braucht es zumindest ein verbilligtes bundesweites Sozialticket, welches für Null Euro erhältlich ist.
Statt Armut zu kriminalisieren, braucht es einen kostenlosen Nahverkehr! Das wäre wirklich nachhaltig wirksam – im ökologischen wie sozialen Sinne. Bis dahin fordern wir: Folgen Sie dem Beispiel von Bremerhaven! Keine Strafanzeigen beim „Fahren ohne Fahrschein“!