Nachhaltige Täuschung im Metzgergrün

Nachhaltige Täuschung im MetzgergrünDas Metzgergrün hat ein Nachhaltigkeitszertifikat in Platin erhalten. Ja, die Arbeitersiedlung im Freiburger Stadtteil Stühlinger ist ja wirklich sehr grün, hat tolle Gärten, vielleicht gibts ja noch ein paar auf den ersten Blick nicht sichtbare Solaranlagen, also wieso sollte das nicht nachhaltig sein? Nein, ausgezeichnet wurde nicht das alte Metzgergrün, sondern die Quartiersentwicklung, also der Abriss und der begonnene Neubau.
Auch das bestehende Metzgergrün ist wohl nicht besonders nachhaltig. Die Bausubstanz ist nicht so marode wie es oft dargestellt wird, hochwertig aber auch nicht. Die Energiebilanz der Häuser dürfte schlecht sein. Aber hat das Abriss- und Neubauprojekt ein Nachhaltigkeitszertifikat verdient? – Nein, hat es nicht. Die Auszeichnung und die damit verbundene Kommunikation von Stadt und Stadtbau sind eine einzige Täuschung, in ökologischer, insbesondere aber auch sozialer Hinsicht.
Man sollte meinen, dass man in der Wohnbaubranche heutzutage die sogenannte Graue Energie berücksichtigt, wenn man von Nachhaltigkeit spricht. Die Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen tat genau das bei der Zertifizierung des Metzgergrüns aber nicht. Der CO2-Ausstoß, den der Abriss der bestehenden Häuser verursacht, und die CO2-Bilanz, die der Neubau erzeugt, wurden einfach ignoriert. Bemerkenswert angesichts dessen, dass allein die Herstellung von Zement Studien zufolge etwa acht Prozent der globalen Treibhausgasemissionen ausmacht. Werner Sobek von der Uni Stuttgart erklärt z. B., dass die Herstellung eines Kubikmeters Stahlbeton plus des darin befindlichen Stahls im Durchschnitt 320 bis 340 Kilogramm CO2 ausstoße. „Das bedeutet, Sie emittieren bei der Herstellung von einem Kubikmeter Stahlbeton so viel CO2 wie 4.000 Bäume einen Tag lang umsetzen können: das heißt, einatmen und in eine Baum- und Blattstruktur umsetzen können.“
Insbesondere bei Betonbauten dürfte der Abriss eines bestehenden Gebäudes trotz dessen schlechterer Energiebilanz beim Heizen fast nie die ökologischere Variante sein. Die Stadtbau plant nur 91 der 550 Wohnungen im Metzgergrün, zu dem dann auch der vorher unbebaute Caravanplatz gehört, in Holzbauweise zu errichten. Jetzt könnten einige sagen: Ja, aber die Häuser sind in so einem schlechten Zustand, dass man sie nur noch abreißen kann. – Aber stimmt das überhaupt? Nein, zumindest wurde es nie geprüft. Geprüft wurde in der Vergangenheit lediglich, ob eine Aufstockung möglich ist. Es gibt durchaus Architekten, die sagen: Die Bausubstanz lässt sich sanieren und erhalten.
In sozialer Hinsicht werden im Metzgergrün teilweise richtiggehend Fake News verbreitet. So geschehen z. B. auf der Pressekonferenz zur Verleihung des Nachhaltigkeitszertifikats.
Dort sprach Oberbürgermeister Martin Horn davon, dass 75% sozial geförderte Wohnungen entstehen sollen. Eine Nachfrage von Radio Dreyeckland bei der Stadtbau im Nachgang, ob sich denn die Pläne geänderten hätten, die FSB sich also, in einer Stadt in der es hauptsächlich an Sozialwohnungen mangelt, endlich auf solche konzentriert, ergab: Nein, die Zahlen, die Martin Horn nannte und die auch in einer Pressemitteilung der FSB verbreitet wurden, waren falsch. Weiterhin wird nur mit 50% sozial geförderten Wohnungen, 25% Prozent „freifinanzierten“ Wohnungen, die durch den Mieterhöhungsspiegel für viele unbezahlbar sein dürften, und 25% Eigentumswohnungen geplant. Die Badische Zeitung hatte die falschen Zahlen aber schon übernommen und sorgte so wieder einmal für einen sozialen Anstrich des Projektes. Und sozial ist dieses Projekt nun wirklich nicht. Es sollen insgesamt gerade einmal 275 öffentlich geförderte Wohnungen gebaut werden. Aktuell gibt es aber 250 Wohnungen, deren Mieten teilweise noch weit unter dem Preisniveau des sozialen Wohnungsbaus liegen. Bezogen auf das alte Metzgergrün fallen sogar 100 bezahlbare Wohnungen weg. Trotz Neubau auf dem Caravanplatz gibt es insgesamt gerade einmal ein Plus von 25 halbwegs bezahlbaren Wohnungen. Unter dem Strich werden für ein Projekt, das mehr Wohnraum für Besserverdienende schafft, viel Geld aufgewendet, Bäume gefällt, Gärten zerstört, Menschen verdrängt und viel CO2 in die Luft geblasen. Eure Nachhaltigkeit stinkt zum Himmel!