Housing lost statt housing first – Unfähigkeit oder Arbeitsverweigerung bei der Freiburger Stadtbau?

Housing lost statt housing first – Unfähigkeit oder Arbeitsverweigerung bei der Freiburger Stadtbau?Ist es Unfähigkeit oder Arbeitsverweigerung bei der Freiburger Stadtbau, dass sie die 2017 angedachten 200 Kleinstwohnungen für obdachlose Menschen bis heute nicht gebaut hat?
Am 27. 09. 2017 wurde die Schaffung von Kleinstwohnungen für wohnungslose Menschen in einem Interfraktioneller Antrag gefordert. 2018 beauftragte dann der Gemeinderat die Stadtverwaltung, „weitergehende Konzepte zur Wohnversorgung von Menschen mit besonderen Bedarfslagen zu prüfen und hierzu dem Gemeinderat Entscheidungsvorschläge zu unterbreiten“
Und seitdem wird geprüft und verschleppt. Das offenbart z. B. eine Vorlage der Stadtverwaltung aus dem Jahr 2020, in der es möglichst unkonkret heißt: „Das Thema Kleinstwohnungen wird im Rahmen aktueller Planungen jeweils berücksichtigt. Genaue Festlegungen gibt es allerdings noch nicht. Somit kann derzeit noch keine Aussage darüber getroffen werden, inwieweit das Ziel von 200 Kleinstwohnungen im genannten Zeitrahmen erreicht werden kann.“

So sind die sagenumwobenen Kleinstwohnungen immerhin ins Gesamtkonzept „Bezahlbar Wohnen 2030“ eingegangen. Allerdings wieder ohne Datum, bis wann sie kommen sollen.
2021 änderte sich aber alles: Jetzt ist die Rede von der „Prüfung der Realisierbarkeit von Kleinstwohnungen“. Ganz offenbar ist selbst die Sozialverwaltung mittlerweile von der Stadtbau genervt: „Zudem ist die Schaffung von Kleinstwohnungen dringend [!] zu befürworten. Bisher wurde noch keine [!] Kleinstwohnung realisiert, um die bestehenden unterschiedlichen Bedarfe zu decken.“
Hier zeigt sich wieder einmal: Die städtische Wohnungsbaugesellschaft baut am konkreten Bedarf komplett vorbei. Dann aber kam das Jahr 2022 und damals hieß es in einer Gemeinderatsvorlage: „Somit wird von der FSB nach derzeitigem Planungsstand der Neubau von insgesamt ca. 44 Kleinstwohnungen in den nächsten Jahren berücksichtigt. Die FSB prüft darüber hinaus, inwieweit bei künftigen, noch in Entwicklung stehenden Wohnbauprojekten weitere Kleinstwohnungen angeboten werden können.“
Fünf Jahre nachdem die Verwaltung beauftragt wurde, 200 Kleinstwohnungen für obdachlose Menschen zu bauen, kündigte die Stadtbau also an, 44 tatsächlich errichten zu wollen und zwar mit der vagen Zeitangabe „in den nächsten Jahren“.
Stand heute ist noch keine dieser Kleinstwohnungen fertiggestellt worden. Ein Armutszeugnis für die Stadtverwaltung, insbesondere aber auch für das kommunale Wohnungsunternehmen FSB, das zeigt, wie gering die Lobby für obdachlose Menschen in Freiburg ist. Freiburg, das sich gerne als progressiv verkauft, hinkt damit auch Bundes- und europäischen Zielen massiv hinterher.
Schon 2020 hat das Europaparlament eine gemeinsame Empfehlung verabschiedet, die das Ziel formuliert, Obdachlosigkeit bis 2030 zu überwinden. Dazu soll der Grundsatz „Housing First“ verfolgt werden. Die eigene Wohnung steht dabei am Anfang statt am Ende der Hilfen – zuerst werden die Menschen in eigenen Wohnraum vermittelt und dann erhalten sie bedarfsgerechte Unterstützung. Dass dieser Ansatz funktioniert, zeigen zahlreiche Evaluationen. Auch die Ampel hat sich in ihrem Koalitionsvertrag den genanten Zielen des Europaparlaments angeschlossen. „Housing First“ in Freiburg? – Fehlanzeige!
Selbst wenn man nur denjenigen, die nach Auffassung der Stadtverwaltung sofort problemlos in eine Wohnung ziehen könnten, ein Wohnungsangebot unterbreiten wollte, müsste man für sie sofort etwa 250 Wohnungen errichten. Würde man dem Bund und der Europaparlament folgen, müsste Freiburg spätestens 2030 allen ein Wohnungsangebot machen. Selbstverständlich muss auch darauf geachtet werden, dass die Betroffenen nicht dauerhaft in einem Substandard festsitzen und dass keine Ghettoisierung stattfindet. Neben der Berücksichtigung von obdachlosen Menschen in jedem Stadtbauprojekt könnten, um den großen Bedarf zu decken, auch Kombinationen mit Studierenden- oder Auszubildendenwohnheimen eine Möglichkeit sein.