Keine gerichtliche Kontrolle der Grundrechte in der Freiburger LEA

Keine gerichtliche Kontrolle der Grundrechte in der Freiburger LEAMitte Januar wurde am Freiburger Verwaltungsgericht die Klage zweier Geflüchteter und eines Aktivisten von Aktion Bleiberecht gegen die Hausordnung der Landeserstaufnahmestelle für Flüchtlinge (LEA) in Freiburg verhandelt.
Ergebnis: Schutzsuchende haben keine Möglichkeit sich gegen offensichtlich rechtswidrige weitgehende Einschränkungen ihrer Grundrechte zu wehren.
Sarah Lincoln von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), einer bundesweit tätigen Bürgerrechtsorganisation, die das Vorgehen gegen die Hausordnung der Freiburger LEA unterstützt, schildert, welche Einschränkungen es für Geflüchtete gibt: „Sie dürfen Sachen, die uns ganz selbstverständlich erscheinen, dort eben nicht. Also sie dürfen keinen Besuch empfangen, sie dürfen alle möglichen Sachen nicht mit in die Einrichtung nehmen, auch alltägliche Gegenstände, Käse, Joghurt, ein Rasierer, ein Glas Marmelade, Elektrogeräte. Sie dürfen sich nicht politisch betätigen, noch nicht mal mündlich. Sie dürfen nicht fotografieren und auch kein Videocall mit der Familie in ihrem Zimmer machen.“ Dieses Zimmer können die Bewohner:innen zudem nicht abschließen, auch darum ging es in der Klage. Nicht Teil der juristischen Auseinandersetzung war der Umstand, dass die Flüchtlinge in der LEA auch nicht selbst kochen können. Die LEA-Verpflegung soll zahlreichen Berichten zufolge oftmals schwer genießbar sein.
Ob die genannten Punkte der Hausordnung, die in ganz Baden-Württemberg verwendet wird, rechtswidrig sind, bleibt allerdings weiter unklar.
Das Gericht erklärte die Klagen nämlich für nicht zulässig. – Warum? Die Geflüchteten wohnen nicht mehr in der LEA, sind folglich auch nicht mehr von der Hausordnung betroffen. Daraus folgt allerdings, dass es nicht möglich ist, gegen die Hausordnung juristisch vorzugehen, da Geflüchtete eigentlich fast nie so lange in der LEA sind, bis ein Verwaltungsgerichtsverfahren abgeschlossen ist. Im aktuellen Fall war die Klage im Juni 2021 eingereicht und im Januar 2024 verhandelt worden. Ein Kläger wurde währenddessen abgeschoben, der andere in eine andere Unterkunft verlegt. Der Verweis des Richters auf ein sogenanntes Eilverfahren führt in der Realität auch ins Leere. Wer hat schon Nerv, die finanziellen, Mittel und den Kontakt zu Anwält:innen, wenige Wochen nach der Ankunft in Deutschland, nach einer Flucht, z.B. aus einem Kriegsgebiet über das Mittelmeer, wenn er die Sprache nicht spricht und sich in einem Massenlager zurechtfinden muss, gleich ein juristisches Verfahren dagegen anzustrengen, dass die Zimmertür nicht abschließbar ist? Und so kommt dann Sarah Lincoln von der GFF zum Schluss: „Man kann gegen grundrechtswidrige Hausordnungen vor Gericht im Grunde genommen nicht vorgehen. Im Ergebnis heißt das, dass das Land Baden-Württemberg im Wesentlichen regeln kann, was es will.“ In der Gerichtsverhandlung ließ selbst der Vertreter des Freiburger Regierungspräsidiums in einem Akt der Ehrlichkeit anklingen, er denke, dass es den Bedarf gebe, die Hausordnungen an das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung anzupassen. Diesen Regelungsbedarf habe man auch der Landesregierung gemeldet, nachdem ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs die Gültigkeit des Grundrechts auch für Erstaufnahmeeinrichtungen bejaht hatte. Das Regierungspräsidium sei aber nur ausführende Behörde. Und so bleibt festzuhalten, dass auch in einem grün geführten Bundesland der politische Wille fehlt, die Grundrechte von Schutzsuchenden zu achten. Angesichts der aktuellen Entwicklung nach rechts sollte klar sein, dass diese Grundrechtseinschränkungen perspektivisch nicht nur Geflüchtete, sondern auch andere ausgegrenzte Gruppen der Bevölkerung treffen kann. Wir sollten deshalb besser heute als morgen gemeinsam mit ihnen gegen diese Grundrechtsverletzungen kämpfen.