Die Verachtung der Armen

Die Verachtung der ArmenAktuell folgt eine Krise der anderen und ein Ende ist nicht absehbar. Von der noch nicht beendeten Coronakrise gibt es einen nahtlosen Übergang in die Krise, die mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine verbunden ist. Auch die Folgen der Klimakrise sind schon zu spüren und werden in den nächsten Jahren sehr wahrscheinlich noch deutlicher zu spüren sein.
Wenn man den weltweiten Maßstab anschaut, lässt sich schon lange sagen: Für die Krisen und den Reichtum einiger weniger, der für die Krisen mitverantwortlich ist, zahlt der ärmere Teil der Weltbevölkerung. Die Folgen der Klimakrise sind mit Missernten und Hungersnöten auf dem afrikanischen Kontinent deutlich stärker zu spüren als in Europa. Dafür dürfen z. B. in der Demokratischen Republik Kongo die Menschen unter erbärmlichen Arbeitsbedingungen die Rohstoffe für unsere ach so tolle Digitalisierung gewinnen. Überflutungen aufgrund des Meeresspiegelanstiegs treffen Bangladesch, wo unsere Klamotten hergestellt werden. Auch die Hungersnot infolge des Ukrainekriegs wird ärmere Länder deutlich härter treffen als z.B. Deutschland.
Aber auch hierzulande treffen die Krisenfolgen nicht alle gleich, sondern insbesondere die Armen. Die politischen Reaktionen darauf und ja, auch das Schweigen in weiten Teilen der Gesellschaft, lassen sich nur mit den Worten „Verachtung der Armen“ zusammenfassen.
Im April stieg die Inflation auf 7,4 %. Gerade bei Lebensmitteln liegt die Steigerung meist noch weit darüber. Wie sollen Hartz-IV-Empfänger:innen, Geflüchtete, die Asylbewerberleistungen beziehen, oder auch Rentner:innen in der Grundsicherung das bezahlen? Nichts mehr essen? Nur noch Nudeln ohne Beilage plus Wasser? Der Hartz-IV-Satz wurde Anfang des Jahres um lächerliche 3 € für Alleinstehende auf 449 € erhöht. Für Nahrung, Getränke, Tabakwaren sind monatlich 155,82 € vorgesehen.
Das sogenannte Entlastungspaket der Bundesregierung legt nun aber gerade nicht den Fokus auf die, die am stärksten betroffen sind. Steuerpflichtige erhalten 300 €, Hartz-IV- und Empfänger:innen von Asylbewerberleistungen erhalten 200 €, Rentner:innen gehen ganz leer aus. Umgerechnet auf den Monat erhalten Hartz-IV-Bezieher:innen also 16,66 € mehr. Damit werden die Preissteigerungen nicht im Entferntesten aufgefangen. Selbst mit 200 € Hartz IV mehr im Monat – eine Forderung, die Sozialverbände erheben und die tatsächlich eine deutliche Verbesserung darstellen würde – wäre eine echte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben nicht möglich. Wie dramatisch die Lage aktuell ist, zeigen auch die Hilferufe der Tafeln, die bis zu 70% weniger Lebensmittelspenden erhalten und teilweise monatelange Aufnahmestopps verhängen, wobei die grassierende Armut und die Flucht aus der Ukraine ihnen gerade immer neue „Kund:innen“ bringt. Die Armutsquote in Deutschland liegt aktuell bei 16,1 %. 13,2 Millionen kann man zu den Armen rechnen. „Das Einkommensmillionärspaar mit zwei Kindern bekommt 649 Euro, die Familie mit Niedrigeinkommen mit 800 Euro gerade einmal 160 Euro mehr“, so Ulrich Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband. Von der Politik haben Arme nichts zu erwarten, egal welches Farbenspiel gerade regiert. Wer sich da über niedrige Wahlbeteiligungen beschwert, dem ist wohl auch nicht zu helfen. Beim erfolgreichen Bürgerentscheid gegen den Verkauf der Stadtbau lag die Beteiligung in Weingarten fast 10 % über der Wahlbeteiligung in der Gesamtstadt. Das zeigt, so das statistische Landesamt, „dass sich die in den benachteiligten Wohngebieten lebende Bevölkerung durchaus an Wahlen beteiligt, wenn sie erwarten kann, dass mit der Ausübung des Wahlrechtes ein direkter Nutzen vorhanden ist.“
Auch in Freiburg, einer Stadt, in der sich viele das Wohnen kaum mehr leisten können, was sich durch die steigenden Energiepreise noch verstärken wird, sorgt man sich eher um die gehobene Mittelschicht als um Menschen am Rande des Existenzminimums: 50 % Sozialwohnungen gelten als Schmerzgrenze, denn was wäre sonst mit den „armen“ Menschen mit einem Haushaltseinkommen von über 51.000 Euro, die keine solche beziehen können?? Zeit für Klassenkampf! Lasst die Reichen für die Krise zahlen!