Roma/Sinti Diskriminierungsbericht

Roma/Sinti Diskriminierungsbericht„Arbeite bei der Stadtreinigung am Müllwagen, aber über Leihfirma, da verdiene ich fast 1 € weniger in der Stunde und kann jederzeit gekündigt werden“, so ein Zitat aus dem Freiburger Roma/Sinti Diskriminierungsbericht für das Jahr 2020. Es zeigt, wie scheinheilig der Beitritt der Stadt Freiburg zur Resolution „Kommunen für ein starkes Lieferkettengesetz“ ist. Solange Freiburg selbst bei der eigenen Müllentsorgung und städtischen Baustellen auch auf Leiharbeit setzt, sollte die Stadt nicht von fairen, ökologischen und menschenrechtskonformen Standards schwätzen.

Status wird ausgenutzt
Zu alltäglichen Erfahrungen von Angehörigen der unteren Klassen, zu denen viele Sinti und Roma gehören, kommt bei Freiburger Roma oftmals noch die aufenthaltsrechtliche Problematik hinzu, die sie besonders verwundbar für die Ausbeutung am Arbeitsplatz macht. „Bin abgeschoben worden mit Familie. In Kosovo und Albanien gibt es keine Arbeit. Illegal zurück gekommen um Geld für Überleben der Familie zu haben. Was soll ich machen? Jetzt arbeite ich schwarz 8–10 Stunden in der Reinigung für 7 Euro die Stunde.“
Ein anderer Rom berichtet: „Mit Touristenvisum war ich hier, da kam Corona, Grenzen zu. Fand Arbeit auf dem Bau bei einem Subunternehmen. Wir arbeiten 12 Stunden schwere, dreckige Arbeit. 8 Euro je Stunde bekomme ich auf die Hand, aber meist pro Tag nur für 8 Stunden. Was soll ich tun? Ich muss es schlucken. Andere haben nach Wochen kein Geld bekommen. Gibt einige in gleicher Lage, wir müssen aufpassen und unsichtbar sein.“
Die sogenannten „Arbeitgeber“ nutzen die Verletzlichkeit der Menschen mit unsicherem Aufenthaltsstatus schamlos aus. Werden Roma in Freiburg sichtbar und kommen gar auf die Idee, sich nicht um unseren Müll oder unsere Pakete etc. zu kümmern oder sich in der Fleischindustrie halb tot zu schuften, z.B. weil sie keine Arbeit finden oder diese in der Coronakrise verloren haben, und betteln auf der Straße, dann bekommen sie gleich die volle Ladung Antiziganismus ab und werden vom kommunalen Vollzugdienst drangsaliert. „Die Stadtpolizei (kommunaler Vollzugsdienst) behandelt uns wie eine kriminelle Bande. Mit uns reden sie nicht. Sie nehmen uns Matratzen weg, nehmen uns das Geld weg, verhängen dauernd Strafen, versuchen uns weg zu treiben. Sie behandeln uns wie Hunde, das machen sie bei anderen Bettlern nicht.“ Rassismus erfahren auch schon ewig hier lebende Sinti. Sie werden z.B. mitten in Freiburg im Nazisprech beleidigt „Deutschland ist nicht mehr Deutschland, (…) Hitler hat euch vergessen“.
Diese alltäglichen Rassismuserfahrungen wirken sich bis zur Wahrnehmung des eigenen Körpers aus: „Wir leben in einer Welt, wo unsere Mütter sich wünschen, dass ihre Kinder weiße Haut bekommen, damit sie es im Leben besser haben werden, als unsere dunklen Kinder“, so eine 73-jährige deutsche Sinteza. Rassismus und Sorgen um die Zukunft machen krank: „Ich bin 25 Jahre und bin schon chronisch krank, Magengeschwüre von dem jahrelangen Stress um Abschiebung, jahrelang unsicher und Angst, immer jeden Tag wieder ein Problem und noch ein Problem. Ich sehne mich so nach mal Ausatmen können, zurücklehnen und Abschalten, Ruhe – ein Tag mal endlich ohne Stress, ohne Angst.“
Die Stadt Freiburg begegnet diesen Menschen, indem sie von vielen Unterkunftsgebühren verlangt, die eigentlich den Tatbestand des Mietwuchers erfüllen müssen, oder indem eine finanzielle Förderung des Diskriminierungsberichts abgelehnt wird, weil er zu „polemisch“ ist. Das Problem, das zeigt der Bericht, heißt Rassismus. Verständlich werden die gemachten Erfahrungen aber nur, wenn man sie auch als Teil der Klassengesellschaft sieht, die Rassismus nutzt um Gruppen unterzuordnen. Dagegen sollten wir gemeinsam kämpfen.
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Stadt-für-Alle-Nachrichten (Rückblick 15. Mai bis 15. Juni 2021)

Stadt-für-Alle-Nachrichten (Rückblick 15. Mai bis 15. Juni 2021)Nun sind sie wieder da, die „Stadt für Alle“ Nachrichten aus Freiburg und der Welt. Wer nicht lesen will, kann sie hier bei RDL nachhören.

[FR] STADT UND POLIZEI HABEN RASSISMUSPROBLEM
Am 12. Juni ereigneten sich in Freiburg gleich zwei rechte Übergriffe. Der Nazi und AfD-Politiker Robert H. griff, nachdem er von zwei jungen Antifaschisten Faschist genannt wurde, diese mit Pfeffergel an. Als ein mutiger Augenzeuge sich ihm in den Weg stellte, stach H. mit dem Messer zu. Hätte die Freiburger Justiz schneller gehandelt, säße H. wohl schon im Knast. H. hat – begleitet von Dubravko Mandic – 2019 auf der Kaiserstuhlbrücke einem Radfahrer mit einer Eisenzange auf den zum Glück mit Radhelm etwas geschützten Kopf geschlagen. Der Prozess deswegen wurde aber verschleppt. Trotzdem übernahm die Polizei im aktuellen Fall, obwohl es mehrere Zeugen gegeben hat, erst nur die Perspektive des AfDlers mit Gewaltproblem. Rechte Gewalttäter gibt es auch innerhalb der Freiburger Polizei. Ebenfalls am 12. Juni wurde ein 35-jähriger Lette von einem Dutzend Männern über mindestens eine halbe Stunde massiv rassistisch beleidigt (u.a. mit „Ausländer raus“), mit dem Tode bedroht, körperlich attackiert und durch die Straßen gejagt. Dutzende Menschen sind ZeugInnen des Vorfalls geworden. Rund 30 Menschen bat der Betroffene erfolglos um Hilfe, nicht einmal die Polizei wurde gerufen. Hauptakteur der Hetzjagd an der Eschholzstraße war ein besoffener Polizist. Das musste nach bundesweiter Presseaufmerksamkeit auch die Polizei eine knappe Woche nach der Hetzjagd einräumen. Weiterlesen

Diskussionen um »soziale Mischung« von Stadtvierteln verfehlen das Problem

Diskussionen um »soziale Mischung« von Stadtvierteln verfehlen das ProblemAus der bisherigen Wohnung ins Ungewisse verdrängt werden oder in beengten, gesundheitsschädlichen, hässlichen Verhältnissen wohnen bleiben? Das ist, zugespitzt, die Alternative, vor der ärmere Menschen stehen, während wissenschaftliche und politische Diskussionen um den Ansatz der „sozialen Mischung“ geführt werden..
Mit „sozialer (Durch-)Mischung“ ist gemeint, dass Menschen aus gesellschaftlich (meist ökonomisch oder rassistisch) benachteiligten Schichten und solche aus privilegierteren Schichten im selben Stadtviertel wohnen. In der Praxis bedeutet das oft, dass in Vierteln, die von ärmeren Menschen bewohnt werden, höherpreisige Wohnungen angeboten werden, sodass diese nur noch von wohlhabenderen Menschen bezogen werden können. Prinzipiell könnte eine „soziale Mischung“ aber auch durch die Schaffung günstigeren Wohnraums in ‚reichen‘ Wohngegenden stattfinden – nur steht das in der Regel nicht zur Debatte. Problematisiert werden meist nur „arme“ Viertel.

Das Problem ist die Armut

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Stadt-für-Alle-Nachrichten (Rückblick 15. April bis 15. Mai 2021)

Stadt-für-Alle-Nachrichten (Rückblick 15. April bis 15. Mai 2021)Nun sind sie wieder da, die „Stadt für Alle“ Nachrichten aus Freiburg und der Welt. Wer nicht lesen will, kann sie hier bei RDL nachhören.

[FR] UNTERKUNFTSGEBÜHREN VERFASSUNGSWIDRIG?
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat die Unterkunftsgebühren für Geflüchtete in Bayern für unwirksam und verfassungswidrig erklärt. 355,14 € werden in Bayern von Flüchtlingen für ein Einzelzimmer verlangt. Der VGH spricht von Mietwucher. In Freiburg wird für ein Einzelzimmer im Wohnheim für Geflüchtete, aber auch für Obdachlose, 515,00 € verlangt, mit „Privilegierung“, also einer Gebührenminderung um 40 % für Personen mit eigenem Einkommen, immer noch 309 €. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat die Hoffnung ausgedrückt, dass es zukünftig eine Festsetzung der Gebühren gibt, die sich ausschließlich am niedrigen Standard der Unterkünfte orientiert und deren Höhe, in Anbetracht der tatsächlichen Kosten lediglich symbolisch sein sollte. Höchste Zeit, auch in Freiburg die viel zu hohen Gebühren fürs schlechte „Wohnen“ drastisch zu reduzieren. Weiterlesen

Mietendeckel gekippt – Selbstorganisation statt auf „die Politik“ hoffen

Mietendeckel gekippt – Selbstorganisation statt auf „die Politik“ hoffenDer 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts hat den Berliner Mietendeckel gekippt. Das Land Berlin sei für eine solche Maßnahme nicht zuständig. Für die Berliner Mieter*innen ist das erst einmal eine Katastrophe. Bundesweit sollte das aber der immer noch eher schwachen Mieter*innenbewegung einen Aufschwung in die richtige Richtung geben, weg von der Hoffnung, dass Parteien Abhilfe für unsere Probleme schaffen können, hin zur Überzeugung, dass wir es selbst in die Hand nehmen müssen.

Urteil wird zu Verdrängung führen
Besonders schlimm an der Gerichtsentscheidung ist, dass sie den Berliner Mietendeckel auch rückwirkend für ungültig erklärt hat, womit für Tausende Berliner Mieter*innen mit einem Schlag, inmitten der Coronakrise, sehr hohe Mietnachzahlungen drohen. Einige werden wohl in der Folge ihre Wohnung verlieren und aus ihrem gewohnten Umfeld verdrängt werden.
Die Neuvermietungsmieten in Berlin könnten teilweise doppelt so hoch sein wie aktuell mit Mietpreisdeckel, was wiederum den Mietspiegel und damit mittelfristig die Mieten für den überwiegenden Teil der Mieter*innen nach oben treiben wird. Der Wohnungsmarkt wird mit aller Brutalität für die einzelnen Mieter*innen seine ganze Ekelhaftigkeit zeigen. Weiterlesen