Gefährliches Pflaster? Die Kriminalitätsbelastung Freiburgs

Gefährliches Pflaster? Die Kriminalitätsbelastung Freiburgs

Demonstration gegen die Polizeigesetze in Freiburg (Foto: Privat)

Freiburg ist die Kriminalitätshochburg Baden-Württembergs. Das liest man Jahr für Jahr in der Regionalpresse, wenn die neue Kriminalstatistik vorgestellt wird, die die von der Polizei ermittelten Tatverdachtsfälle dokumentiert. Daher gelte es, so Innenministerium und Stadtverwaltung, ein besonderes Augenmerk auf die „Sicherheitslage“ in der Stadt zu legen und mit einem Bündel an Maßnahmen gegen die hohe Kriminalitätsbelastung anzukämpfen. Aber wie steht es wirklich um die Kriminalitätsbelastung Freiburgs? Weiterlesen

Sexualisierte Gewalt und die Behauptung einer Mitschuld der Opfer

„Macht euch nicht wehrlos mit Alkohol oder Drogen“. Das riet der ehemalige Freiburger Polizeipräsident (und mittlerweile CDU-Stadtrat) Bernhard Rotzinger zum Schutz vor sexualisierter Gewalt. Er stellte damit die Frage nach der Mitschuld der Opfer. Mit aufreizender Kleidung oder dem von Rotzinger angesprochenen Alkohol- und Drogenkonsum befördere man das Risiko der Viktimisierung, so wohl seine Argumentation. Eine derartige Behauptung einer Mitschuld ist jedoch fatal. Sie zeigt, dass das Problem der sexualisierten Gewalt nicht im Ansatz begriffen wurde. Erstens ist sexualisierte Gewalt in erster Linie ein Männerproblem.
Frauen werden nicht deshalb vergewaltigt, weil sie sich mit Alkohol oder Drogen wehrlos gemacht haben. Sie werden vergewaltigt, weil Männer sie vergewaltigen. Im Jahr 2018 waren 95 % der Tatverdächtigen bei Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung Männer, bei Vergewaltigung und sexueller Nötigung lag der Männeranteil bei 99 %. Zweitens suggeriert Rotzinger mit seiner Aussage, dass sich sexualisierte Gewalt insbesondere in Clubs und an anderen Orten abspiele, an denen Alkohol und Drogen konsumiert werden. Sicherlich gibt es auch dort Fälle sexualisierter Gewalt. Und genau das mögen die Fälle sein, von denen wir häufig hören, weil sie öfter ins Hellfeld gelangen und medial eine größere Aufmerksamkeit erregen. Der Großteil der Fälle spielt sich jedoch im sozialen Nahbereich ab, also in den eigenen vier Wänden. Und diese Fälle verbleiben meist im Dunkelfeld, weil die Anzeigequote extrem gering ist. Mit Alkohol oder Drogen haben diese Taten rein gar nichts zu tun. Es gilt daher, sexualisierte Gewalt als das zu begreifen, was es ist: Ein Männlichkeitsproblem. Die Behauptung einer Mitschuld der Opfer stellt den Versuch dar, Männer aus der Verantwortung zu entlassen, und ist damit verfehlt.

Dieser Beitrag ist in der Zeitung „Gefährliches Pflaster“ – Zeitung zur Sicherheitskritik erschienen.

Sicherheitspolitik gegen sexualisierte Gewalt?!

Sicherheitspolitik gegen sexualisierte Gewalt?!

Feministische und antirassistische Demo gegen sexualisierte Gewalt 2018 in Freiburg (Foto: rdl.de, Lizenz: CC Attributi-
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2016 sorgte die Vergewaltigung und der Mord an einer jungen Frau* in Freiburg für überregionale Aufmerksamkeit. Da der Tatverdächtige ein Geflüchteter war, wurde der Fall insbesondere von der AfD für rassistische Hetze instrumentalisiert. Der Fall wurde in eine von Sexismus und Rassismus durchsetzte Debatte integriert, die sich bereits mit der Rezeption der Ereignisse in Köln an Silvester 2015/16 intensiviert hatte. In dieser Debatte wird die „deutsche Frau“ (verstanden als weiß) als Opfer von sexualisierter Gewalt durch rassifizierte Täter dargestellt. Dabei werden Frauen* und ihre Erfahrungen für rechte Argumentationen vereinnahmt und sie werden als „Eigentum“ des weißen, deutschen Mannes konzipiert. Weiterlesen

Der politisch-publizistische Verstärkerkreislauf

Sebastian Scheerer beschrieb 1978 das Phänomen des „politisch-publizistischen Verstärkerkreislaufs“, das auch heute noch vielfach zu beobachten ist. Medien berichten über Kriminalität selektiv, hervorgehoben und sensationalistisch. Politiker und die Verantwortlichen der Polizei lesen diese Berichterstattung, halten sie für relevant und nutzen sie zur Profilierung. Sie formulieren daraus einen (vermeintlich) dringenden Handlungsbedarf. Die Ankündigung eines solchen Bedarfs spiegeln wiederum die Medien. Derart schaukelt sich die Bedeutung von bestimmten Phänomenen immer weiter auf und es kommt zu einem in sich geschlossenen Kreislauf der Furchtvermarktung zwischen Medien und Politik. Häufig sind es einzelne Kriminalfälle (in Freiburg etwa der sog. „Dreisammord“), die von den Medien verstärkt aufgegriffen werden und einen Aktionismus in der Politik hervorrufen (etwa die Einführung der erweiterten DNA-Analyse im Anschluss an die erwähnte Tat).

Dieser Beitrag ist in der Zeitung „Gefährliches Pflaster“ – Zeitung zur Sicherheitskritik erschienen.

Privilegierte Quellen

Als privilegierte Quellen werden im journalistischen Jargon solche Informationen von Behörden und Polizei bezeichnet, denen ein Vertrauensvorschuss gewährt wird. Hier wird eine Ausnahme vom Zwei-Quellen-Prinzip als grundlegendes Prinzip im Journalismus gemacht. Diese Haltung ist mindestens naiv und lässt eine fehlende Staatskritik zutage treten. Sie verdeckt, dass auch die genannten Akteure eine politische Agenda haben. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) ruft dazu auf, „Meldungen und Informationen der Polizeibehörden in allen Fällen kritisch zu hinterfragen.“ Keinesfalls dürften Schilderungen und Behauptungen solcher Berichte ungeprüft in die Medienberichterstattung Einzug erhalten.

Dieser Beitrag ist in der Zeitung „Gefährliches Pflaster“ – Zeitung zur Sicherheitskritik erschienen.